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Montag, 14. November 2005
Fit und Well (1): Spinning

Die Damen schwärmen immer wieder davon, und jedes Mal muss ich dran denken, wie eine Freundin mich mitnahm zum Spinning, komm doch mal mit, ist toll, die Fitnessstudiotante sagte, es gibt es nur Leute, die es lieben, und solche, die es hassen, dazwischen gibt’s nichts. Ich fand die Idee ein bisschen befremdlich, mich in einer Halle auf ein Fahrrad zu setzen, das nicht fährt, denn wenn ich Fahrrad fahren will, kann ich ja Fahrrad fahren, aber ich war dennoch guter Dinge und voll des guten Willens, und dann saß ich auf diesem Rad, die Füße festgeschnallt, Konsensmusik brüllte aus den Lautsprechern, und darüber schrie, krakeelte, kreischte eine Trainerin uns an und manchmal kreischten die sechs Damen, die da aufgereiht auf den Fahrrädern saßen, auch etwas mit, ich weiß nicht mehr was, es war anstrengend, ich schwitzte, aber dafür war ich ja da, das war in Ordnung, aber dieser Lärm dabei, und wie unsagbar verbissen die beiden Trullas ganz rechts den, haha, Berg rauf strampeln, ja, ihr seid toll, aber wisst Ihr was, das ist mir so was von egal, ich mach jetzt einfach kurz Pause, denn das Schlimme ist überhaupt nicht die Anstrengung, sondern die Haltung, ich kriege Rückenschmerzen, ja, Fahrrad falsch eingestellt, wird es da heißen, die Trainerin hat mir extra dabei geholfen, und noch viel schlimmer ist, dass die Füße so feststecken in diesen Schlaufen, dass man überhaupt keine Möglichkeit hat, sich auch nur eine Winzigkeit in eine andere Richtung zu bewegen, immer nur weitertreten, im Kreis, im Kreis, weiter, immer die eine Richtung, ich möchte meine Beine mal kurz strecken, kurz zur Seite drehen, geht nicht, weitertreten, los, reiß Dich zusammen, mach die Ohren einfach zu, ignorier das Geplärr, die Trainerin ist genauso verbissen wie die beiden ganz rechts, ich frage mich, ob das wirklich gesund sein soll, eine ganze Stunde lang in der immer gleichen Körperhaltung die immer gleiche Bewegung auszuführen, ich fühle mich unglaublich eingesperrt in diesen Fußschlaufen, nicht mal einen Zentimeter nach rechts oder links oder vorne oder hinten kann ich den Fuß schieben, Tretmühle, Laufrad, Galeere sind die Vokabeln, die mir durch den Kopf schießen, ich möchte meinen Rücken mal grade machen, mache ich auch einfach, natürlich packt mich auch der Ehrgeiz, klar fahre ich weiter, es ist immer noch nicht die Anstrengung, die mich nervt, sondern das Eingesperrte, ich kämpfe, nicht gegen den "Berg" oder meinen Körper, sondern gegen dieses Gerät, das mich festhält, einfach festhält, ich habe das Gefühl, ich kann mich überhaupt nicht wirklich bewegen, ein Alptraum, festgeschnallt mit nur einer einzigen Bewegungsmöglichkeit, und die führt nirgendwo hin, der reine Horror, und dann der Lärm, die Trainerin kreischt ja nicht nur so, sondern ist über ein Headsetmikro mit der Anlage verbunden, wie idiotisch ist das denn eigentlich, sollen sie die Musik halt nicht so laut machen, dann müsste das Gekreisch nicht auch noch verstärkt werden. Ich werde immer wütender, was mache ich hier eigentlich, warum kann ich meine Füße nicht bewegen, meine Beine auch nicht, nur immer rund, warum bin ich in diesem Gerät eingesperrt, ich habe doch mein eigenes Fahrrad, damit kann ich durch den Wald fahren und die Vögel zwitschern hören. Es dauert ewig, bis die Stunde vorbei ist.
Na, hat's Dir Spaß gemacht, fragt die Trainerin mich hinterher, ich schaue sie fassungslos an und sage nein, grässlich, da ist sie beleidigt und ich gehe in die Sauna und muss mich zwingen, langsam von meiner aufgestauten Wut wieder runterzukommen, ich bin stocksauer, nicht auf die Trainerin, sondern auf diese ganze bescheuerte Fahrradfahrerei, dieses alptraumhaft Eingesperrte, entsetzlich, und da heißt es immer, Sport würde Endorphine freisetzen und man könne sich seine Wut vom Leib strampeln, ha, genau das Gegenteil ist passiert, ich war gutgelaunt angekommen und werde jetzt für den Rest des Tages diese Wut nicht mehr richtig los. Drüber lachen kann ich erst am nächsten Tag wieder.

Ich

hasse es, ich bekomme schon vom Zusehen Aggressionen. Aber ich war ja auch nicht bei der Bundeswehr. Vermutlich aus ähnlichen Gründen.

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Konservensport ist das Freizeit-Äquivalent zur Fließbandarbeit, hat aber einen nicht unwichtigen Vorteil: Man kann sich bis zum Anschlag ausbelasten ohne Angst haben zu müssen, irgendwo im Wald oder auf der Heide zu kollabieren. Inner Muckibude steigt man dann einfach ab und trinkt an der "Fitneßbar" eine Dosis der dort fortwährend umgewälzten fluoreszierenden Getränke. Gegen den Körperdurst. Aaaah.

Ihre Spinning-Trainerin, die bestimmt nicht auf einen so profanen Titel hört, sondern mindestens premium bycicle master instructorette ist, scheint aber auch eine ausgemachte Pfeife Koryphäe zu sein. Üblicherweise wechseln sich doch hochfrequente Sprints, Erholungspausen mit aufgerichtetem Oberkörper und gegen einen hohen Widerstand à la danseuse gefahrene Bergetappen ab. Ein guter Trainer geht mehrmals im Kurs durch die Reihen, gibt jeder Einzelnen Haltungstipps und moralischen Beistand und sorgt dafür, daß am Ende ein ordentliches Ausradeln und Dehnen stattfindet.

Sind Sie denn im echten Leben jemals mit Click-Pedalen oder Riemen gefahren? Sagt Ihnen ein "runder Tritt" etwas? Unvorbereiteten Holland-Rad-Fahrern wird eine Spinning-Stunde natürlich einen gehörigen (Un)Kulturschock versetzen ;-) Ich rate, dabeizubleiben, nach einer Weile bekommt das monotone Gestrampel, Gekeuche und Geschwitze eine meditative Qualität: Zen in der Kunst des Standradfahrens, oomphta, oomphta ...

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ja, dieses angeschreie, das waer schon nix fuer mich, diese no pain, no gain scheisse, in solche laeden gehe ich nur, wenn ich punktuell was machen will, um fuer meinen richtigen sport fitter zu sein. und dann eben bisschen aufwaerm-ergometer und laufband und danach in einer ruhigen ecke bisschen an geraeten rumbiegen..
am besten wenn max 4 andere leute in dem laden sind.

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Ach, ich habe ja nichts gegen Muckibuden im Allgemeinen, auch nicht gegen ein bisschen Ergometer oder Laufband zum Aufwärmen.
Ja, hochfrequente Sprints haben sich mit ruhigeren Phasen abgewechselt, große mit kleinen Gängen, die Haltung des Oberkörpers auch, und die Trainerin oder premium bicycle master instructorette kam auch rum, aber eigentlich nur, um jedes Mal aufs Neue festzustellen, dass das komische Ding, das sie mir unter die Brust geschnallt hatte, wirklich nicht tat, was es sollte, nämlich irgendwelche Daten, Puls und so, an das Fahrrad zu melden. Die paar wenigen Male, die mich jemand verdonnert hat, mir so ein Ding umzuschnallen, hat es nie funktioniert.
Und nein, ich bin nie mit Klick-Pedalen gefahren und habe keine Ahnung, was ein "runder Tritt" ist. Ich hätte gedacht, man tritt immer rund.
Den bestimmt gutgemeinten Rat, dranzubleiben, werde ich mit Sicherheit nicht beherzigen. Ich muss gar nicht wissen, ob ich nicht tief in meinem Herzen doch ein bisschen klaustrophob bin. Vielleicht kann man es wirklich nur lieben oder hassen, ich werde gerade schon wieder aggressiv, wenn ich nur dran denke.

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Ist doch schön, ein klares Feindbild zu haben, das durch Nurdrandenken den Blutdruck schwellen läßt. Geht mir mit Musicals so - schwülstiger Mist, ich werde gerade schon wieder aggressiv, wenn ich nur dran denke.

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Hi, hi, jetzt erst gesehen. Tja, aber diese Instructorette und das ganze Setting scheinen auch wirklich nicht ideal gewesen zu sein. Wenn man da einen extrem attraktiven Instructor hat, der das mit der Musik und ihrer Lautstärke und mit seinen Tipps optimal handhabt und dann noch ganz unverbissene, nette Mitfahrer, dann, ja dann sieht das doch anders aus ;-)

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Last modified: 09.12.13, 22:30
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 11 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 12 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 12 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 12 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 12 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 12 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 12 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 13 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 13 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 13 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 13 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 13 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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