Mittwoch, 1. November 2006
Met
isabo,
10:01
In Michigan wohne er, sagt der schon etwas ältere Priester, der uns in der Warteschlange für die Billigtickets an der Metropolitan Opera angesprochen hat, aber er komme einmal im Jahr für fünf Wochen nach New York, um Kultur zu tanken, und gehe dann fast jeden Abend in die Oper. In Hamburg sei er auch schon mal gewesen, die Oper dort habe ja auch einen guten Ruf. Auf Nachfragen erklärt er, er habe früher an der Uni Kunstgeschichte gelehrt, außerdem Oper und Film und Filmmusik, und sich mit den Schnittstellen zwischen verschiedenen Formen der darstellenden Kunst beschäftigt. Er freut sich, dass wir in die Met gehen, es werde uns gefallen, verspricht er, das Bühnenbild sei sehr klassisch, so you don’t have to worry about minimalism. Ich verkneife mir höflichkeitshalber die Bemerkung, dass ich gar nichts gegen Minimalismus habe. Als wir die Karten haben, sind es noch zwei Stunden Zeit bis zur Aufführung, wir wollen etwas essen. Sollen wir ihn fragen, ob er mitgeht, frage ich den lustigen Mann. Meinste, das kann man machen, fragt er zurück. Der Priester steht noch in unserer Nähe, guckt unschlüssig, also entschließe ich was und frage ihn, ob er wisse, wo man hier nett etwas essen kann. Er strahlt uns an und sagt, er kenne da einen wunderbaren Chinesen, da wolle er hin, ob wir ihm Gesellschaft leisten mögen? Sure, we’d love to. Und dann La Gioconda. Das Don’t-worry-about-minimalism-Bühnenbild ist nicht klassisch, sondern bieder und hart an der Grenze zu Disney. In dem Akt am Schiff sieht die Bühne original aus wie bei Käpt’n Blaubär, aber das Ballett, der Stundentanz, versöhnt mich halbwegs mit dem optischen Gesamteindruck. Akustisch ist das anders. Die Titelrolle schreit, dass einem angst und bange wird, Jodelsopran mit einem Tremolo über eine ganze Terz, man weiß nie so recht, welchen Ton sie gerade zu singen versucht. Da kann man vor lauter Vorahnungen, dass sie gleich wieder dran sein wird, die anderen gar nicht recht genießen, obwohl sie gut sind, natürlich, wir sind an der Met. Jede einzelne ihrer Arien wird mit Szenenapplaus und Bravo-Rufen bedacht, und ich denke, vielleicht stimmt mit meiner Wahrnehmung was nicht. Dafür dauert es auch nur vier Stunden, es gibt drei Pausen, wir sehen Jerome aber nicht mehr.
gunnar wrobel,
01.11.06, 11:42
Sehr charmanter Text. Und jetzt habe ich Lust auf Glückskekse. ... Link |
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Last modified: 06.06.24, 10:52 Status
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Kommentare
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
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