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Sonntag, 10. Dezember 2006
Vom Ansehen der Übersetzer 2

Gestern auf einer Party, der Gastgeber stellt mich nacheinander mehreren Leuten vor als „das ist Isa, sie hat den Hamburger Übersetzerpreis bekommen“, es ist mir ein bisschen peinlich, andererseits rührt es mich, dass er es so hochhängt. Die Reaktion ist durch die Bank so was wie „hä?“, was für ein Preis soll das denn sein, wieso kriege ich den, was habe ich denn übersetzt, mache ich sowas öfter, und ist der Preis jetzt dafür, dass ich alles richtig übersetzt habe oder wie, und wieso gibt’s denn für so was Preise? Ich lege meine alte Platte auf, erkläre, dass Übersetzen nicht nur Vokabeln nachschlagen ist; Stilebenen, Ton, Rhythmus, blabla, Ihr kennt das, aber ich werde nicht recht verstanden. Dann müsse ich ja ziemlich gut Englisch können, wieder versuche ich, mich verständlich zu machen, klar muss ich Englisch können, aber das Schwierigere ist, Deutsch zu können, wieder Unverständnis. Wir driften ab, ich erzähle, dass ich meist lustige Frauenbücher übersetze und dass sie mir zum Hals raushängen und dass das keineswegs unbedingt einfacher zu übersetzen ist als anspruchsvollere Literatur, ich schimpfe ein bisschen über den schlechten Stil mancher dieser Bücher, und dann kommt, was immer kommt: ob ich so was denn nicht auch selbst schreiben könnte. Ja, verdammt, könnte ich, nein, verdammt, könnte ich nicht, denn erstens kann ich mir keine Geschichte ausdenken, zweitens will ich so was ja gar nicht schreiben, ich will nicht „… fügte er hinzu“ schreiben und „es war, als hätte jemand ein Licht in mir angeknipst“, und ich weiß auch nicht, wieso ich das wollen sollte.
Als sei Übersetzen so was wie Schreiben zweiter Klasse, Schreiben für Doofe, und als müsse, wer Übersetzer ist, eigentlich lieber selbst schreiben wollen und damit gescheitert sein.

ein bisschen klingt das so wie bei mir: "drehbuchlektorin? dann besserst du also die rechtschreibfehler in drehbüchern aus?", dicht gefolgt von: "film- und fernsehdramaturgin? dann schreibst du also drehbücher?" (hölle, hölle, hölle.)

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Ja, ha, kenne ich, Lektorat ist gleich Rechtschreibfehler korrigieren. Aber es kann ja auch nicht jeder wissen, was man in welchem Beruf genau macht - wenn mir jemand sagt, er arbeitet beispielweise in der "strategischen Unternehmensplanung", habe ich auch keine Ahnung, was er den ganzen Tag tut.

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das ist in etwa so, als wolle man jemandem, der taub ist, musik erklären. seufz. die meisten menschen sind leider völlig tumb, was sprache anbelangt. vielleicht wäre es einfacher, sich für diese frage eine (selbst)ironische standardantwort zu überlegen? :-)

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Ach nein, ich bemühe mich dann doch immer, und man kann ganz viel auch an sehr einfachen Beispielen erklären. Ganz doof sind die Leute ja auch nicht (Ausnahmen bestätigen die Regel); ich werde dann eher missionarisch als schnippisch, dann haben sie halt Pech und müssen eine längere Abhandlung über sich ergehen lassen. Hihi.

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Das geht doch immer so: Sie schreiben Bücher? Wieso kaufen Sie sich nicht einfach eins?

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Man kann das Übersetzen gar nicht genug würdigen. Glückwunsch nochmal zum Übersetzerpreis.

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P.S. - lustig fand ich das jetzt mit den "Frauenbüchern" - ist das so eine spezifische Sache, "Das ist ein Frauenbuch, da kommt ein männlicher Übersetzer gar nicht infrage"?

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Danke!
Mit "lustige Frauenbücher" meine ich das, was auf Englisch Chick Lit heißt und was dann bei Thalia im Regal "Freche Frauen" steht. Ich glaube schon, dass für diese Sorte Literatur erstmal eher Frauen gesucht werden, aber das ist sicher kein ehernes Gesetz. Eins der bekanntesten Bücher dieser Kategorie ist von einem Mann übersetzt worden - es steht aber ein weibliches Pseudonym vorne drin. Weiß nicht genau, warum, vielleicht weil der Kollege sonst eher für Hochliteratur bekannt ist.

Aber insgesamt ist das natürlich eine sehr interessante Frage, zu der ich mir immer noch keine rechte Meinung gebildet habe - ob man männliche Autoren eher von männlichen Kollegen übersetzen lassen solle und Frauen von Frauen. Was schwierig werden dürfte, denn es gibt, glaube ich, mehr Autoren als -innen und mehr Übersetzerinnen als Übersetzer. Oder ob ein guter Übersetzer nicht beides können sollte. Keine Ahnung. Ich würde ein solches Buch wahrscheinlich auch eher einer Frau anbieten, ebenso gibt es Bücher, die ich eher Männern geben würde, und genauso welche, bei denen ich es für egal halte. Aber ich könnte nicht definieren, warum, reine Gefühlssache. Andererseits hätte ich selbst auch keine Angst vor einem sehr "männlichen" Buch.
Blabla, unausgegorenes Geschwätz.

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Ich habe gerade überlegt, dass es wahrscheinlicher ist, dass eine Frau einen Mann übersetzt, als umgekehrt. Vielleicht weil ganz allgemein, unausgesprochen, immer noch "männliches" und "weibliches" Schreiben voneinander unterschieden werden (bzw. "Schreiben" und "weibliches Schreiben"). Wäre z.B. interessant, das z.B. an Ingeborg Bachmann festzumachen, die ihrerseits ja selbst übersetzt hat, aber - wette ich jetzt mal - mit Sicherheit von mehr Frauen als Männern übersetzt wurde. (Oder, um etwas aus der Krimi-Literatur zu nehmen: z.B. Donna Leon, was insofern interessant wäre, als sie ja einen Mann als Protagonisten hat). Vielleicht täusche ich mich auch.

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Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau irgendwas übersetzt, ist sowieso höher, denn erstens wird es seit jeher schlecht bezahlt, zweitens gelten Frauen immer noch als sprachbegabter als Männer.
Interessant wird das mit den Protagonisten dann, wenn es ein Ich-Erzähler ist und ein anderes Geschlecht hat als das Autor. Man müsste es mal versuchen: einigen Leuten Bücher zu lesen geben und sie raten lassen, ob sie von Männern oder Frauen geschrieben wurden. Ich wette, bei manchen merkt man's, bei anderen nicht. Aber wieviel Einfluss das auf die Plausibilität des Erzählers hat, und was passiert, wenn wieder ein anderes Geschlecht es übersetzt: keine Ahnung. Da wird's dann wahrscheinlich wirr. Beziehungsweise kommt auf den Autor und den Übersetzer an.

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Das mit der Plausibilität ist sowieso eine ganz andere Frage ;)

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Da sangse was.

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Ü

Gratuliere zum Preis!!
Ich bin auch Literatur-Übersetzerin, zumindest in einem meiner Berufe, auch weiblich (Schreiben und weibliches Schreiben - jaaaaargs!), aber ganz preislos. Der Rest ist ähnlich... Beliebte Vermutung am Schluss eines solchen Gesprächs ist "aber IRGENDWANN schreibst du dann auch was, oder?"
Wenn man sagt, dass man vor allem gut Deutsch können muss, rattert es so schön hinter der Stirn. Meine Eltern werden jetzt aber immer schön wütend, wenn in einer Rezension der Übersetzer nicht genannt wird. Ha!
Eine andere Isabel, die auch übersetzt (oder bist Du jene?) schrieb wunderbar, Übersetzen sei Schreiben vom vollen Blatt aus. Sehr wahr.
Schöne Grüße
Percanta

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Kann ich mir nicht vorstellen, dass ich das war, so kluge Sachen schreibe ich nicht. (Und ich schreibe auch fast nie anderswo als hier.) Stimmt nämlich, gute Formulierung.

Herzlich willkommen!

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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 11 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 12 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 12 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 12 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 12 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 12 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 12 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 13 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 13 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 13 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 13 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 13 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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