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Dienstag, 26. Februar 2008
Fit und Well (3): Hamam

Es ist sehr warm, die Luft ist feucht, fast nebelig. Wir haben ein Handtuch zum Umwickeln bekommen, in rot, das steht für Verwöhnvariante drei. Alle sind unglaublich freundlich: Sind Sie zum ersten Mal hier? Ja, sind wir.
Ein Tellak, ein türkischer Bademeister, gießt uns aus einem Schälchen Wasser über den Kopf, drei-vier mal, dann lässt er uns allein. Wir können uns in einem Becken eine angenehme Temperatur mischen, uns mit Wasser übergießen und uns dann auf den heißen Stein legen. Ganz schön hart, so ein Stein. Und ganz schön warm. Noch einmal übergießen wir uns mit kühlerem Wasser und räkeln uns dann wieder auf dem Stein, einer riesigen Marmorplatte, warm, sehr warm. Ich stelle fest, dass man lustige Geräusche machen kann, wenn man auf dem Rücken liegt, die Füße aufstellt und das mit dem nassen Handtuch umschlungene Hohlkreuz gegen den Stein presst und wieder hochzieht, dann schmatzt und pupst es, und es ist ein lustiges Gefühl, wenn wieder Luft in den feuchten Hohlraum dringt. Wir kichern. Und werden träge. Entspannt. Alles so schön warm hier. Und plötzlich ist der Stein auch gar nicht mehr so hart. Ich muss ein bisschen auf meinen Kreislauf aufpassen, gieße mir noch einmal kühleres Wasser über den Kopf. Ach. Hach. Wir liegen auf dem Stein, die Freundin bringt mich auf den neusten Stand ihres Liebeslebens, und dann werden wir auch schon zur Waschung gebeten.
Hinter einer halbhohen Mauer stehen sechs oder acht Tische, ebenfalls aus Marmor, aufgereiht wie Schlachtbänke. Ein freundlicher Tellak begrüßt mich und bittet mich, das Handtuch ab- und mich auf den Tisch zu legen. Er selbst ist ebenfalls nur mit einem nassen Handtuch bekleidet, ich trage jetzt nur noch eine Badehose. Er übergießt mich noch einmal mit Wasser, dann streift er einen rauen Handschuh über und beginnt mit dem Körperpeeling. Von oben bis unten rubbelt er mich ab, ziemlich energisch, den Rücken, die Beine von hinten, mit dem kratzigen Handschuh, dann umdrehen und dasselbe auf der Vorderseite. Seltsames Gefühl, mich von einem fast nackten Fremden abschrubben zu lassen, aber sehr angenehm. Er legt meine Beine ein Stück weiter auseinander, um auch die Innenseiten abreiben zu können, ich atme einmal tief ein und lasse locker, lasse mich fallen und ihn machen. Wie wohltuend das ist. Ist total gesund, behauptet er, und dann sagt er, fühl mal, und legt meine Hand auf meinen Bauch: alles voller Krümel.
Dann werde ich gewaschen. Mein Tellak füllt einen feinen Baumwollsack mit Luft, hält ihn oben zu und drückt die Luft durch den Stoff unten wieder hinaus, und mit der Luft kommt ganz viel Schaum heraus, sehr feiner Schaum, der auf meinem Rücken liegen bleibt und mir langsam an den Seiten hinuntergleitet. Was für ein Gefühl. Hier ist wohl sein. Der Schaum duftet nach Zitrone und ist so fein und kribbelt so auf der Haut, und alles an mir ist so warm und weich, nur der Tisch, auf dem ich liege, der ist warm und hart. Mein Tellak wäscht mich, mit dem Schaum, von hinten und von vorne, ohne jede Ruppigkeit jetzt, fast liebevoll. Ich dufte nach Zitrone. Ein bisschen Schaum ist mir ins Gesicht geraten und rinnt anscheinend Richtung Mundwinkel, ich merke es nicht, ich merke es erst, als der Tellak sich über mich beugt, mir mit der Rückseite seines Zeigefingers sanft den Schaum von der Wange streicht, mir eine Tausendstelsekunde länger als nötig in die Augen schaut und leise lächelnd sagt: nicht essen.
Wieder legt er mir die Hand auf den Bauch und sagt: fühl mal. Meine Haut ist ganz weich, ich dufte, ich bin durchgewärmt und entspannt und ziemlich glitschig; beim Umdrehen hält er mich fest, damit ich nicht vom Tisch rutsche.
Und schließlich die Massage, anfangs denke ich noch, er soll mal nicht so zimperlich sein, aber da ist er noch dabei, das Öl auf meinem Rücken zu verteilen, und dann ist er natürlich überhaupt nicht mehr zimperlich, aua, und zwar keineswegs. Aua. Wohlschmerz hat das mal ein anderer Masseur genannt, diesen Schmerz, den man gerne hat, weil es genau da wehtut, und der Masseur genau da draufdrücken soll, weil der Schmerz so guttut, ja, aua, nicht aufhören, genau da, aua, mehr. Rrrrrrrr. Warm, weich und Wohlschmerz, kann das bitte nie aufhören?
Leider doch. Ich liege auf dem Rücken, der Tellak zieht noch einmal sanft an meinem Kopf, dehnt meine immer schmerzende Halswirbelsäule, auch das tut unendlich gut, zieht meine Arme lang nach oben, geht um den Tisch herum, umfasst meine Fußgelenke und zieht, streckt meine ganze Wirbelsäule, zieht mich auf dem Tisch hinunter zum Fußende, hilft mir, mich aufzusetzen, und jetzt macht dann doch mein Kreislauf schlapp. Der Tellak holt ein Schälchen mit etwas kühlerem Wasser, gießt es mir über die Beine, über die Arme, ganz vorsichtig, und nimmt schließlich richtig kaltes Wasser in die Hände und streicht es mir ins Gesicht, wie man ein trauriges Kind streichelt. Kann das bitte … ach, schade.

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Es gibt Texte, bei denen man, wenn man sie liest, am Ende denkt: "Schade, schon zu Ende".

Das hier ist so einer.

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Danke!
Das habe ich auch gedacht, als ich von dem Tisch aufstand.

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bitte weitermachen ...

uuuh, ich habe gerade ganz wohlig mitgefühlt - schön!

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Last modified: 09.12.13, 22:30
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 11 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 12 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 12 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 12 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 12 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 12 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 12 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 13 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 13 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 13 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 13 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 13 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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