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Mittwoch, 10. Juni 2009
Is a book

James Krüss: Mein Urgroßvater und ich

Als der Urgroßvater zu Ende erzählt hatte, fragte ich: „Ist diese Geschichte wirklich passiert?“
„Lieber Boy“, bekam ich zur Antwort, „wenn eine Geschichte einen Sinn hat, dann ist sie wahr, selbst wenn sie nicht passiert ist! Verstanden?“
„Nein, nicht verstanden!“
„Macht nichts, Boy! Man muss nicht alles verstehen, wenn man zehn Jahre alt ist. Hast du Hunger?“
„Wie ein Haifisch, Urgroßvater!“

(Seite 104)

Als Boy zehn Jahre alt ist, bekommen seine Schwestern die Masern, und damit er sich nicht ansteckt, wird er für eine Woche zur Obergroßmutter umquartiert. Die Obergroßmutter heißt Obergroßmutter, weil sie, im Gegensatz zur Untergroßmutter, auf dem Helgoländer Oberland wohnt. Bei der Obergroßmutter lebt auch der Urgroßvater, ein ehemaliger Hummerfischer, und der ist ein großer Geschichtenerzähler und Dichter. Die gestrenge Obergroßmutter sagt, er ist ein Larifari und Tuttifrutti. Die Geschichten, die er dem Jungen erzählt, sind hoffnungslos altmodisch und unmodern und vor allem: ganz zauberhaft. Und zwischendurch dichten die beiden, Abc-Gedichte und Ich-du-er-sie-es-Gedichte und all solche Dinge, und auch in den Geschichten geht es immer ums Erzählen, um Sprache, Buchstaben, Wörter, Geschichten und Gedichte. Und wenn das nicht ohnehin schon alles so zauberhaft wäre, würde man mich ja spätestens mit diesem Thema sowieso kriegen.
Unfassbar zauberhaft zum Beispiel die Geschichte über den Hafenkapitän Arnold Rickmers, der die Schiffe so in den Hafen einfahren lässt, dass sich aus ihren Namen Sätze bilden lassen, und der schließlich eine neue Generation von Hafenschleppern auf Namen wie und, oder, bei, am, durch, ins und für tauft, weil die kleinen Wörter genauso wichtig sind wie die großen. Sollte ich je wieder nach Helgoland fahren (und dafür will ich schon sorgen) und dort je wieder Gelegenheit haben, mit Detlev Rickmers zu sprechen (und dafür will ich ebenfalls sorgen, jawohl), dann werde ich ihn als allererstes fragen, ob es einen wahren Arnold Rickmers gab, und ob er je Schiffe so in den Hafen hat einfahren lassen. Denn das ist die zauberhafteste Zauberhaftigkeit, die ich seit langem gelesen habe.
Als Boy und der Urgroßvater einmal zusammen dichten, bleiben beide mit ihrem jeweiligen Gedicht stecken und kommen nicht weiter. Schließlich tauschen sie, und jeder beendet das angefangene Gedicht des anderen.

„Das ist eine lustige Idee, Urgroßvater. Ich bin einverstanden.“ Wir tauschten die Plätze, lasen jeder das Gedicht des anderen und dichteten es mit solchem Feuereifer zu Ende, dass wir in weniger als zehn Minuten fertig waren.
„Siehst du“, sagte mein Urgroßvater, „beim Dichten darf man nicht angestrengt herumtüfteln, wie wir es nach der ersten Hälfte unserer Gedichte getan haben. Man muss immer ein bisschen spielen und Spaß daran haben, dann fließen die Verse.“

(Seite 133)

Sagte ich schon, dass das alles ganz zauberhaft ist? Mir war so. Und so klug! Man muss zuerst etwas können und später etwas wagen, dann geht's! (Seite 150)

Das Buch musste unbedingt mal wieder besprochen werden! Ich habe, als ich es als Kind gelesen hatte, sofort mehrere Gedichte verfasst, die sich prima reimten. Und als ich es Jahre später meiner 11-jährigen Nichte schenkte schickte die mir auch wenig später ein Gedicht. Es hieß "Die Maus Luise", war prima gereimt und - Sie ahnen es schon - wirklich zauberhaft.

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Aus Gründen bin ich mit der Reederei Rickmers bekannt (http://de.wikipedia.org/wiki/Rickmers_Reederei) - vielleicht hilft das.
(Buch umgehend bestellt. Kann ich das zu einem achten Geburtstag verschenken?)

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Haargenau goldrichtig.

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ein sehr schönes buch, habe ich damals mit 11 oder so gelesen. die quasi-fortsetzung "mein urgroßvater, die helden & ich" ist auch lesenswert; zu einer trilogie werden die bücher mit "tante julies haus", darin spielt der urenkel - wiederum als hobbydichter - auch eine tragende rolle [dieses letzte buch gefiel mir immer am besten].

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Danke für das zauberhafte Erinnern an frühere Lesegenüsse!

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Last modified: 09.12.13, 22:30
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Kommentare
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Christl Klein, vor 11 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 12 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 12 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 12 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 12 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 12 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 12 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 13 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 13 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 13 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 13 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 13 Jahren
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Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
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croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
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don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
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isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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