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Dienstag, 27. Oktober 2009
Is a book

Tilman Rammstedt: Wir bleiben in der Nähe

Auf der Buchmesse traf ich zufällig Thomas Pletzinger. Wir begrüßten uns, er war in Begleitung eines Mannes, der mir irgendwie bekannt vorkam, und so sagte ich, Dich kenne ich doch auch irgendwie, und er sagte, janee, glaub nicht, ich bin Tilman. Da musste ich ein bisschen im Boden versinken und habe das, als ich wieder rausgekrabbelt war, zum Anlass genommen, nach Erledigungen vor der Feier auch endlich Wir bleiben in der Nähe zu lesen, das schon so lange auf dem Nachttisch liegt.

Boah, wow. Ich weiß gar nicht, wie ich angemessen auf die Knie fallen kann.

Anscheinend hatte ich mich nicht getäuscht, und Konrad wusste die Antwort tatsächlich, nämlich, dass es gar keine Antwort gab, jedenfalls keine, die zu der Frage passte, weil es sich Fragen meistens leicht machen, weil sie sich vor einen hinstellen und die Arme verschränken und in Ruhe, vielleicht sogar mit spöttischem Lächeln, zuschauen dürfen, wie man stammelnd um eine Antwort ringt, und wenn man dann irgendwann keine Lust zum Stammeln mehr hat, dann stemmt man die Arme in die Hüfte und legt den Kopf schief und sagt, dass die Frage das eigentliche Problem sei, falsch gestellt oder irreführend oder schlichtweg unmöglich zu beantworten, und das gilt dann, wenn man es entschieden genug vorbringt, als befriedigende Antwort. Aber bei manchen Fragen gilt das nicht. Manche Fragen sind nicht dadurch aus dem Weg zu räumen, dass man sie selbst in Frage stellt. Manche Fragen, und leider auch die nach dem, was wir eigentlich wollen, sind zu Recht sehr stur und bleiben.

Felix und Konrad wissen nämlich nicht, was sie wollen. Vor Jahren waren sie eng mit Katharina befreundet. Es entwickelte sich eine Dreiecksbeziehung, der Katharina schließlich ein Ende setzte; sie ging weg, die drei hatten keinen Kontakt mehr. Jetzt, drei Jahre später, bekommen Konrad und Felix eine Einladung zu Katharinas Hochzeit und finden, dass sie etwas tun müssen, dass es so nicht weitergehen kann. Sie fahren kurzentschlossen nach Hamburg, wo Katharina inzwischen wohnt, und je näher sie ihr kommen, desto weniger wissen sie, was sie eigentlich tun wollen und erst recht nicht, was sie erreichen wollen. Aber ein paar überstürzte Entscheidungen zwischen all der Lähmung treffen sie dann doch, bis schließlich alle drei, na ja, das sollt ihr selbst lesen, und zwar unbedingt. Unbedingt!

„Man will Rammstedt dauernd zitieren“, wird im Klappentext die Frankfurter Rundschau zitiert (wie finden Rezensenten es eigentlich, frage ich mich, wenn sie keinen Namen haben, sondern nur die Zeitung genannt wird?). Und das stimmt, es sind so viele kluge Gedanken drin, man möchte es eigentlich gleich vorne wieder aufschlagen, wenn man hinten fertig ist, und all die klugen Gedanken rot anstreichen, damit man sie bei Bedarf wiederfindet. Und außerdem wegen der Sprache, das ganze Buch hat einen so wunderbaren Rhythmus, einen Sog, es zieht einen hinein, mir ist ja sowieso immer die Sprache eigentlich wichtiger als der Plot, und der Rhythmus in Prosa ist sowieso so ein faszinierendes Thema, und das macht mich alles ganz hach, denn Rammstedt hat es einfach raus. Herr Rammstedt, bei unserer nächsten Begegnung falle ich einfach gleich in Ohnmacht, ohne vorher dumme Fragen zu stellen.
Entschuldigung, es pladdert hier gerade so aus mir raus. Ich bin restlos begeistert, und jetzt will ich keine mittelmäßigen oder ganz okayen Bücher mehr lesen, es gibt doch so großartige Sachen! Lest Tilman Rammstedt! Ich habe sein drittes Buch, „Der Kaiser von China“ jedenfalls sofort auf meine Wunschliste gesetzt.

Rammstedt steht im Regal zwischen François Rabelais und Fabrizia Ramondino.

Man möchte ihn auswendig lernen. Von vorne bis hinten.

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Aha. Nach dem "Kaiser von China" hatte ich mich schon wieder von Rammstedt verabschiedet. Habe ich wohl mit dem falschen Buch angefangen, denn es gilt ja das Grönersche Isa-Unfehlbarkeits-Postulat. Mein Fehler.

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Da streiten sich die Gelehrten, ich habe schon mehrfach gehört, der Kaiser sei nicht so toll, andere finden das wieder besonders gut. Ich werde berichten, aber vielleicht nicht sofort.

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Lest doch bitte "Erledigungen vor der Feier", seine Kurzgeschichtensammlung. Für mich das Schönste seiner Werke.

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Ja, das ist groß. Leider viel zu kurz.

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mir ist ja sowieso immer die Sprache eigentlich wichtiger als der Plot

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Ganz doof finden Rezensenten das. Allso, wenn sie zitiert werden, und man nennt nur den Namen des Magazins, nicht den des Rezensenten. Voilà: http://www.kulturnews.de/knde/review.php?review_id=2169&topic=buecher&show=review&artist=Tilman+Rammstedt&title=Wir+bleiben+in+der+N%26auml%3Bhe

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Ja, denke ich mir, das war eine rhetorische Frage. (fis) ist aber auch so ne Nennung für Eingeweihte, da macht sich doch niemand die Mühe rauszukriegen, wer das ist. Sind Sie das?
Ich bin nämlich anderer Meinung, ich finde, das ist überhaupt gar nicht nur Slapstick, sondern im Gegenteil todtraurig, und, genau: "nach der hoffnungslosen Sehnsucht nach dem ganz anderen Leben".

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fis, das bin ich, sehr erfreut. Mir ist die Nennung (fis) immer noch lieber als gar nicht ganannt zu werden. Immerhin ist das ein klar zugeordnetes Kürzel - und mit meinem Klarnamen können, um ehrlich zu sein, auch nicht viel mehr Leute etwas anfangen als mit (fis). Dass Sie anderer Meinung sind wie ich, finde ich gar nicht schlimm. Das macht Kunst ja gerade reizvoll: dass es keine letztgültigen Urteile gibt. Vielleicht sollte ich "Wir bleiben in der Nähe" ein weiteres Mal lesen, immerhin ist seit meiner Rezension auch schon recht viel Wasser die Elbe runtergeflossen, da können sich Meinungen, Urteile, Ansichten etc. durchaus wandeln.

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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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