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Dienstag, 7. Juni 2005
Übersetzungssoftware

Die meisten meinen es nicht ganz ernst, wenn sie mich fragen, ob Übersetzungen nicht vom Computer erledigt werden können [nahe liegendes Wortspiel bitte selbst einsetzen]. Aber so ein bisschen ernst ist es dann manchmal doch.
Im Moment geht das natürlich noch nicht, jeder kennt die lustigen Spielchen mit kostenlosen Übersetzungsprogrammen (mein persönlicher Liebling ist immer noch die speisende Geldstrafe in einem Rücksortierungshotel), aber wahrscheinlich wird man den Programmen in einigen Jahren Redewendungen beigebracht haben, sie werden die Grammatik besser beherrschen, Ausnahmen erkennen, möglicherweise sogar anhand des Kontexts eine ganz gute Trefferquote für die "richtige" Übersetzung eines Worts erzielen können. Es gibt bereits ganz gute Translation Memory Tools, die sich merken, was man schon mal wie übersetzt hat – einzelne Wörter bis ganze Sätze – und das dann automatisch einsetzen. Da kann man dann noch mal fix drübergehen und hat sich die Zeit, etwas zum x-ten Mal einzutippen, gespart.

Abschwiff: Ich habe mal mit so was gearbeitet, als ich für ein englisches Übersetzungsimperium an einer Reihe von Online-Reiseführern mitübersetzt habe. Da die Reiseführer alle exakt gleich aufgebaut waren, waren die Kapitelüberschriften schon vorübersetzt. In einem Kapitel ging es immer darum, wie man im entsprechenden Land herumreist, mit Bus, Bahn, Taxi und air travel. Letzteres war immer schön mit Luftreisen übersetzt, ich habe es jedes Mal in Flugreisen geändert und meine Ansprechpartnerin irgendwann gefragt, ob sie das nicht einfach in allen Reiseführern gleich ändern kann – würde sie ja gerne, seufzte sie, aber der Kunde bestehe auf Luftreisen. Da ist man dann doch manchmal froh, wenn der eigene Name nicht druntersteht. Abschwiff Ende.

Gleiches wird also immer mit Gleichem übersetzt, und das ist ganz prima und wichtig, zum Beispiel bei technischen Handbüchern. Nur, und jetzt komme ich endlich auf den Punkt: in der Belletristik will ich ja gar nicht Gleiches mit Gleichem übersetzen. Yes heißt sicher meistens ja, manchmal auch doch, aber hier und da ist irgendwas Anderes hübscher oder angemessener: stimmt, genau, finde ich auch, da haben Sie Recht, hab ich mir auch schon gedacht oder Ähnliches. Ganz zu schweigen vom ewigen he said, she said. Ich glaube durchaus, dass man dem Computer beibringen kann, nicht in die klassischen Fallen zu tappen. Beispiel: Why don’t you sit down? ist mit Warum setzt du dich nicht? nur dann richtig übersetzt, wenn man wissen möchte, warum jemand sich nicht setzt. In den allermeisten Fällen ist es aber eine rhetorische Frage und gängige Floskel, mit der man jemandem einen Platz anbietet. Das kann der Computer bestimmt lernen. Ich bezweifle allerdings, dass er je die Stilebene wird erkennen können, also ob die adäquate Übersetzung eher Setz dich oder eher Nehmen Sie doch bitte Platz lauten sollte. Und er wird auch nicht erkennen, wann Warum setzt du dich nicht? vielleicht doch mal die richtige Übersetzung ist. (Überhaupt glaube ich nicht, dass man ihm beibringen kann, wer in einem Roman wen duzt oder siezt.) Von Alliterationen, Wortspielen, Anspielungen und so weiter will ich gar nicht erst anfangen.
Also: ich bin überzeugt, dass Computerprogramme irgendwann Wörter und Sätze "richtig" übersetzen können werden. In der Belletristik übersetzt man aber nicht Wörter oder Sätze, sondern Texte. Und da geht es eben nicht immer um richtig oder falsch, sondern um Angemessenheit, um Rhythmus, Tempo, Stilebenen, einen bestimmten Ton etc. Und das, liebe Kinder, kann die Maschine nicht lernen. Neulich las ich in einem Artikel (Mist, schon wieder vergessen, wo und von wem), literarische Übersetzungen seien oft viel zu glatt, zu korrekt. Die Übersetzer hätten zu wenig Mut, unter anderem deswegen, weil ihnen von der Kritik immer wieder einzelne Worte, Anglizismen etc. unter die Nase gerieben werden – ein deutscher Autor dürfe so viele Anglizismen verwenden, wie er lustig ist, er dürfe Fehler machen, krumme Wendungen benutzen, schreiben, wie ihm der Schnabel gewachsen ist etc., das ist dann eben der typische Stil dieses Autors, aber der Übersetzer darf das nicht. Wenn jetzt eine Software übersetzen würde, wären die Texte endgültig tot, schätze ich. Und wenn der Ton schon mal grundsätzlich nicht stimmt, kann man ihn auch nicht mehr hineinlektorieren.
Und jetzt habe ich vermutlich mit einem halben Kilometer Text Eulen nach Athen getragen.

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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