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Donnerstag, 23. Juni 2005
Klagenfurt

So, der erste halbe Tag ist rum, ich habe zwei Lesungen gehört, Susanne Heinrich und Sasa Stanisic, beide waren okay – vom Hocker gerissen haben sie mich nicht, ich fand sie aber auch nicht schlecht. Irgendwie ist das eine seltsame Veranstaltung. Da lesen Autoren um die Wette vor, ein Konzept, das ich an sich schon merkwürdig finde. Gute Literatur ist ja aus unterschiedlichen Gründen gut; man kann doch nicht behaupten, der eine Text sei besser als der andere, wenn der eine beispielsweise vom Rhythmus lebt, und der andere von der Story. Sicher, es gibt eine ganze Menge „objektiver“ Kriterien, die man bei der Beurteilung von Texten anlegen kann und muss, aber Literatur lässt sich doch nicht messen wie die Geschwindigkeit beim Wettrennen. Das zweite, was mich befremdet, ist die Tatsache, dass sowohl die Juroren als auch das Publikum die Texte ausgehändigt bekommen (ich nehme an, die Juroren wahrscheinlich schon vorher) und die ganze Zeit mitlesen. Die Vorleseleistung wird überhaupt nicht mitbeurteilt, und so frage ich mich, was das ganze sein soll: bei einem Vorlesewettbewerb müsste es doch eigentlich ums Vorlesen gehen. Dann, finde ich, soll man sich aber auch wirklich etwas vorlesen lassen und nicht gleichzeitig mitlesen. Und dann auch das Vorlesen mit bewerten. Und wenn es kein Vorlese- sondern ein Literaturwettbewerb ist, dann braucht man die Autoren nicht so vorzuführen. Denn die stehen ganz schön nackig da, wenn neun Juroren hintereinander weg ihren Text zerpflücken. Soweit ich es heute verfolgt habe, waren sie einigermaßen gnädig – aber um die Situation beneide ich die Autoren nun wirklich nicht. Da stehen sie immer noch vorne vor dem Publikum und müssen sich anhören, woran es ihren Texten gebricht, was falsch ist, unstimmig, lächerlich, weia. Vor versammelter Fernsehnation. Entsetzliche Vorstellung.
Als Zuschauerin finde ich diese Diskussion dann allerdings immer sehr interessant. Denn da zeigt sich genau das, was ich meine: dass Texte unterschiedlich wahrgenommen werden, dass man sie eben (meist) nicht in gut und schlecht kategorisieren kann, dass ein Rezipient etwas unfreiwillig komisch findet, was der andere für große Literatur hält, etc. Ich selbst wäre gar nicht so schnell in der Lage, etwas halbwegs Kluges zu Texten zu sagen, die ich gerade erst gehört habe (daher mein Verdacht, dass die Juroren die Texte schon vorher kennen), ich habe eher beim Hören „so ein Gefühl“, ob mir etwas gefällt oder nicht, ob es mich langweilt, die Sprache mich anspricht etc. Für ein Urteil müsste ich mich jedoch ausführlicher damit beschäftigen. Und vieles von dem, was die Damen und Herren Literaturkritiker äußern, würde mir natürlich gar nicht einfallen. Manches finde ich klug, anderes überhaupt nicht, und das ist das Faszinierende an Literatur: dass sie so unglaublich unterschiedlich ankommt und wahrgenommen wird.
Übrigens finde ich die gesamte Veranstaltung auch zu lang, das kann sich doch kein Mensch drei Tage lang angucken. Bei dem Wetter. *Diese verblüffende Meinung ist kostenlos.*

Jetzt um drei liest Kristof Magnusson, ich bin gespannt.

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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