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Montag, 13. November 2006
Übrigens:

"Es gibt keine hässlichen Frauen, es gibt nur Männer, die als Jungs nicht gelernt haben, wie man richtig hinsieht."

Sasa Stanisic (+ div. Akzente): Wie der Soldat das Grammofon repariert.
Großartiges Buch, lesen!

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Übersetzen

Gerd Brunzema schreibt auf seiner Website: „Ich glaube nicht an Übersetzungen“. In einer Mail an mich fügt er hinzu, das sei vielleicht ein wenig vermessen und müsse eher „ich glaube nicht an *meine* Übersetzungen“ heißen. Denn er sei immer gescheitert, wenn er versucht habe, Klang oder Geruch einer Sprache in eine andere zu übertragen; er stellt eigentlich keine konkrete Frage, sondern möchte gern wissen, wie mein Ansatz ist, mit diesem grundsätzlichen Problem der Übertragbarkeit von einer Sprache in die andere umzugehen.

Ein Text, der nicht nur von seinem Inhalt, sondern auch von der Sprache lebt, wird sich beim Übersetzen natürlich verändern – eben weil die Sprache eine andere ist. Aber nicht jede Veränderung ist ein Verlust. Eins der Übersetzer-Zauberworte lautet „Wirkungsäquivalenz“, das heißt, wir bemühen uns, mit dem deutschen Text dieselbe Wirkung zu erzielen, die auch das Original hat. Wenn das Original also voller Metaphern steckt, schreiben wir einen deutschen Text voller Metaphern; wenn das Original durch besonders kurze Sätze auffällt, übersetzen wir besonders kurze Sätze; wenn es ein lustiger Text ist, schreiben wir einen lustigen Text etc. Bei all dem muss man immer das Gesamtbild im Auge behalten – wir übersetzen nämlich nicht Wörter oder Sätze, sondern Texte. Oder, um es noch krasser und in den Worten Klaus Birkenhauers auszudrücken: „Ein Wort kann man fast nie übersetzen, einen Satz vielleicht, einen Text fast immer.“ Das bedeutet zum Beispiel: ein Wortspiel muss im Deutschen nicht genau da stehen, wo es im Original auch steht. Da Wortspiele sich sowieso oft nur schwer übertragen lassen, kann man ebenso gut hier eins weglassen und dafür anderswo eins einbauen – ich denke, so viel Freiheit darf, bzw. muss man sich sogar nehmen, damit der Gesamttext hinterher stimmt. Es tut dem Buch ja nicht gut, wenn ich irgendwas an den Haaren herbeiziehe, bloß weil an genau dieser Stelle im Original ein vielleicht sogar naheliegendes Wortspiel steht. Schwierig wird es an Stellen, wo man sich im Original auch nicht ganz sicher ist, wie sie wirken. Ich habe oft das Kitsch-Problem – ich bin einfach unsicher, ob etwas im Englischen genauso kitschig wirkt wie die wörtliche deutsche Übersetzung. Wenn es mir zu kitschig wird, oder mir sonst etwas einfach nicht passt (im Sinne des Gesamttexts), dann dimme ich es ein bisschen runter. Denn, und damit komme ich zu einem anderen Punkt: der Übersetzer muss nicht nur hinter den Autor zurücktreten und dessen Stil möglichst angemessen übertragen, sondern er muss dabei gleichzeitig sich selbst treu bleiben. Das ist etwas, was man schlecht direkt benennen kann; ich muss das Gefühl haben, dass ich, welchen Ton auch immer ich gerade anschlage, in meiner eigenen, ganz persönlichen Sprache spreche. Vor einiger Zeit hatte ich schon mal diesen Artikel verlinkt, in dem Tom Appleton fordert, er wolle in Übersetzungen viel mehr die Stimme des Übersetzers hören, die Übersetzer sollten sich nicht so hinter den Autoren verstecken. Sicher eine streitbare Forderung, aber eine sehr interessante. Es ist wohl immer eine Gratwanderung zwischen der Sprache des Autors und der des Übersetzers, und da muss jeder Übersetzer für sich den richtigen Weg finden.
Das mit der Wirkungsäquivalenz ist natürlich so eine Sache, denn hinter der zu übertragenden Sprache steht ja auch eine ganze Kultur. Und die lässt sich nicht mitübersetzen – aus dem Englischen geht es noch, weil die Kultur nicht so weit von unserer entfernt ist, aber wenn man beispielsweise aus dem Japanischen übersetzt, wo bestimmte Wörter einen riesigen Assoziationsrausch auslösen, die das im Deutschen nicht tun, dann wird’s schwierig. Beziehungsweise unmöglich. Der deutsche Leser weiß vielleicht, dass „die Japaner es immer so mit der Kirschblüte haben“, aber das war’s dann auch. Die Wirkungsäquivalenz kann sich meiner Meinung nach also fast nur auf die Sprache beziehen. Das heißt, wenn ein Autor beispielsweise Metaphern verwendet, die uns hier ungewöhnlich vorkommen, aber in der Ausgangssprache ganz normal und gängig sind, dann versuche ich ebenfalls gängige Metaphern zu finden. Wenn er aber welche benutzt, die auch im Original ungewöhnlich sind, dann übersetze ich sie so ungewöhnlich, damit ich bei den sprachlichen Mitteln auf der Höhe des Autors bleibe. Der gesamte kulturelle Hintergrund hingegen darf ruhig ein wenig fremd bleiben, es ist ja nun mal kein deutsches Buch. Allerdings muss er verständlich sein, da sind dann im Einzelfall elegante Lösungen gefragt.

Das alles erfordert, dass man sich an den richtigen Stellen vom Original entfernt und nicht zu wörtlich übersetzt. Dafür braucht man ein bisschen Erfahrung und ein gewisses Selbstbewusstsein, das man sich auch erstmal erarbeiten muss.

Na, ist noch jemand wach? Noch Fragen? Ich wär gerade in der Stimmung, eine anderthalbstündige Vorlesung daraus zu machen.

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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