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Montag, 31. März 2008
Prinzessin

Einmal war ich Prinzessin. Beziehungsweise viermal, nämlich an den vier Adventssonntagen 1991.

Die Japaner sind bekanntlich Buddhisten und Shintoisten, haben mit Weihnachten also nicht viel am Hut. Allerdings haben sie festgestellt, dass man im Westen ein prima Geschäft mit Weihnachten macht, also machen sie auch ein prima Geschäft mit Weihnachten. Worum es eigentlich geht, wird dabei leicht zur Nebensache, und so habe ich mir erzählen lassen, es habe noch bis in die achtziger Jahre hinein Nikoläuse am Kreuz zu kaufen gegeben. Gesehen habe ich das leider nicht mehr, aber es waren ja auch schon die Neunziger.
Der Vergnügungspark Yomiuri Land veranstaltete eine Weihnachts-Show für Kinder. Es gab, was es zu Weihnachten halt so gibt: eine Seehund-Vorführung mit Bällen und so, eine Band, die als Comicfiguren mit überdimensionalen Köpfen verkleidet war und disneyeske Weihnachtshits und Greensleeves und sowas spielte, und als Special Guest eine Prinzessin aus dem Land des Eises. Im Land des Eises lebt nämlich auch, aber das wisst ihr natürlich, der Nikolaus. Und der Bär und das Eichhörnchen.
Ich trug die Haare offen, damals waren sie ziemlich lang und noch richtig blond. Ich trug eine Krone. Ich trug ein Brautkleid, japanische Größe; die Taille klemmte mir irgendwo unter den Achseln, unten reichte es bis zur Mitte der Wade, statt bis zum Boden. Das Schuhwerk war ein Problem, ich besaß nur schwarze Schuhe, und zu kaufen gab es in Monstergröße (40) nur Herrenschuhe, die hätten auch nicht recht zum Prinzessinnen-Brautkleid gepasst. Eine Angestellte der Agentur kaufte ein paar goldene Turnschläppchen in der größten Größe, schnitt schlankerhand die Ferse auf und machte ein Gummiband hintenrum. Außerdem bekam ich ein Jäckchen für meine nackten Schultern, einen langhaarigen, weißen Teddybärfell-Bolero, denn auch in Japan ist es im Winter kalt, und die Show fand draußen statt. Solcherart ausstaffiert – umziehen konnte ich mich im Kostümfundus – ging ich zur Showbühne. Rechtzeitig vorher und in vernünftigen Schuhen. Dort versteckte ich mich in einem Zelt, das glücklicherweise beheizt war, während sich draußen zwischen fünfzig und hundertfünfzig Kinder versammelten. Alle im Nikolauskostüm. Ich fror mich durch Seehundshow und Comicfiguren-Weihnachtslieder bis zu meinem Auftritt, der daraus bestand, zwei oder drei Sätze auf Japanisch zu sagen, die ich leider vergessen habe. Ich bin keine Schauspielerin, es muss furchtbar gewesen sein, ich stand vorne am Bühnenrand, steifgefroren und verkrampft und mit Fusseln von dem Jäckchen im Mund, und sagte meinen Text auf, irgendwas mit dem Nikolaus, der im Land des Eises wohnt, wo ich herkomme, und dem Bär und dem Eichhörnchen, die dort zusammen spielen und sich doll liebhaben. Zum Abschluss verteilten die Comicfiguren und ich Geschenktütchen an die kleinen Nikoläuse, und ich hatte mit diesen vier Auftritten wieder die Miete für einen Monat gesichert.

Es wurden schätzungsweise hunderttausend Fotos von mir gemacht. Ich habe kein einziges davon.

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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