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Sonntag, 31. Mai 2009
Hamburg

Hamburg ist die schönste Stadt Deutschlands, heißt es, oder war es gleich die schönste Stadt der Welt, ist auch egal, jedenfalls ist es unfassbar schön, wenn die Sonne scheint, wenn der Himmel blau ist und das Wasser auch, wenn das Wasser der Elbe glitzert und die großen Hafenkräne lange Schatten werfen, wenn das Wasser der Alster glitzert und die Kirschbäume rosa Konfetti werfen, wenn man mit dem ganz normalen HVV-Ticket mit der Fähre fährt, womöglich ist Hamburg die einzige Stadt Deutschlands, in der die Fähre zum ÖPNV gehört, jedenfalls ist es die einzige Stadt, in der mitten drin die Landungsbrücken liegen und man einfach so mit dem Schiff fahren kann, zwischen den großen Pötten, die Autos transportieren oder Container oder Schüttgut, und die in alle Welt fahren. Man selbst fährt nur ein bisschen im Hafen herum, einfach so zum Spaß, oder weil man nach Övelgönne an den Strand will oder nach Finkenwerder zu Leuten aus dem Internet oder auch nur zum Fischmarkt, und jetzt wohne ich schon fast vier Jahre in dieser Stadt und bin verliebt wie am ersten Tag, wenn ich bei schönem Wetter am Hafen bin, wenn ich auf der Fähre stehe und die Elbe glitzert und der Himmel blau ist und die Kräne in der Sonne leuchten, dann kriege ich einen Kloß im Hals und kann es gar nicht fassen, dass das so schön ist, und dass ich hier wohne, und dass das alles meins ist.

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Von der christlichen Seefahrt

Der Katamaran fliegt über die See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee,
von Hamburg fliegt er nach Helgoland,
die Herzen aber sind voll bis zum Rand.

Der Halunder Jet legt von den Landungsbrücken ab und prescht in beeindruckendem Tempo los. Laut Wetterbericht soll es Sturm geben, Henrike jault schon mal vorauseilend, sie würde bestimmt seekrank. Tatsächlich ist aber kaum Wind, bei der Abfahrt nieselt es ein wenig, hört aber gleich wieder auf. Und noch vier volle Stunden bis Helgoland. Ich freue mich, nach dem Ärger der Tage davor kann ich das Meer gebrauchen, ich stehe am Heck des Schiffs draußen und lasse mich durchpusten. Die See ist ruhig, nach und nach reißt der Himmel auf, die Sonne kommt raus, und ich lasse meinen Kummer an Land. Wie das Meer das wohl macht. Wenn ich schlecht drauf bin, wenn ich Kummer habe oder Herzschmerz, dann bringt mich ans Meer, und wenn keins da ist, an irgendein anderes Wasser, es funktioniert immer.
Von wegen Sturm, es ist herrliches Wetter. Die PR-Dame der Betreibergesellschaft nimmt uns mit auf die Brücke, Henrike fragt, ob wir auch mal steuern dürfen, und aus irgendeinem Grund habe schließlich ich die Hand auf dem Steuerknüppel. Wahrscheinlich habe ich mich schamlos vorgedrängelt. Der Kapitän hat vorher ein Knöpfchen gedrückt, jaha, sage ich, jetzt haben Sie den Autopiloten eingeschaltet, und ich soll mir einbilden, das Schiff zu steuern? Nein, sagt er, im Gegenteil, ich habe den Autopiloten ausgeschaltet, sehen Sie: er legt seine Hand auf meine und schiebt den Steuerknüppel bis zum Anschlag nach rechts, und das Schiff macht einen wilden Schlenker. Ich dachte, so ein Schiff reagiert langsamer, aber der Katamaran hat ordentlich Fahrt drauf. Der Kapitän schiebt den Steuerknüppel nach links, das Schiff zieht nach links, ich glaube, es gefällt ihm, seine Hand auf meiner zu haben, aber dann nimmt er sie doch weg und sagt: jetzt fahren Sie mal dem weißen Schiff da vorne hinterher. Und ich Trottel gucke auf das weiße Schiff und versuche, ihm mit dem Katamaran hinterherzufahren, statt dass ich auf den Radar gucke, das wäre wahrscheinlich einfacher gewesen.

Isabo war unser Steuermann,
aus hielt sie, bis sie das Ufer gewann!

Henrike fragt, was denn mit dem angekündigten Sturm sei, ob der noch komme, ja, sagt der Kapitän, aber erst heute Nachmittag. Und morgen regnet es auch. Aber ach, was verstehen Kapitäne schon von Seewetter? Nachmittags auf der Insel ist kein Wind, schon gar kein Sturm, es ist zwischendurch wohl grau und neblig, aber der Nichtwind pustet das schnell weg, und am nächsten Morgen ist alles blau. Blauer Himmel, blaues Meer, weißer Sand, grünes Land, rote Klippen.
Es schaukelt kaum, als wir zur Düne und wieder zurück übersetzen, auch wenn Henrike hinterher behauptet, da wäre ihr auch schon schlecht gewesen. Als wir nachmittags den Katamaran zurück nach Hamburg besteigen, ist immer noch blauer Himmel und blaues Meer, aber die See ist kabbelig, es schaukelt, Henrike wird sehr blass und seekrank und legt sich auf den Boden. Und sieht ungeheuer Schneewittchen aus, weiße Haut, rotes Haar, schwarzer Pullover, sehr dekorativ liegt sie im Gang herum. Als nächstes wird der schwangeren Herzdame übel, sie klagt über den Würstchengeruch, der durchs Schiff zieht, und geht nach draußen, wo die Raucher stehen, auch nicht besser. C. und ich werden nicht seekrank, wir bestellen Sekt, oder wie wir alten Damen sagen: ein Piccolöchen, und zwitschern uns einen. Als wir die Elbmündung erreichen, liegt das Schiff wieder ruhiger, die Herzdame entdeckt Gummibärchen als ultimatives Heilmittel gegen Seekrankheit (Saftbären!), Schneewittchen will davon nichts wissen, sie ist immer noch bleich, steht aber irgendwann immerhin wieder auf. Wir essen Gummibärchen und saure Colafläschchen und trinken Sekt und kichern. Als wir in Hamburg einlaufen, läuft gerade die Aida Aura aus. Ich finde diese Bemalung entwürdigend, so ein Schiff hat doch auch seinen Stolz.

Abends beim Einschlafen fällt mir ein, dass ich meinen Sekt gar nicht bezahlt habe. Am nächsten Tag kommt eine Mail von C, ob ich meinen Sekt bezahlt hätte und ihren womöglich auch, sie habe ja wohl die Zeche geprellt. Prost, Madame, da haben wir zusammen geprellt. Und schon wieder ein Grund, die Reise demnächst noch mal zu machen: um uns hochoffiziell zu entschuldigen. Zeche prellen ist nämlich unchristlich.

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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