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Dienstag, 15. September 2009
Fit und Well (7): Bikram Yoga

Fünf Tage für fünf Euro. Ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann. Außerdem habe ich noch nie Yoga gemacht, und schwitzen finde ich sowieso gut.
Bikram Yoga ist Yoga bei einer Raumtemperatur von 38 Grad. Celsius! Auf dem Flyer steht, man solle „leichte Sportkleidung“ tragen, anderthalb Liter Wasser mitbringen und sich darauf einrichten zu schwitzen. Ich trage eine knielange Laufhose und ein T-Shirt und bin damit hoffnungslos overdressed. Overdressed im Sinne von: viel zu viel. Es sind gut zehn Leute da, die Frauen haben ein bisschen was an, die Männer kommen gleich ganz nackt. Na gut: in einem kleinen Badehöschen. Ich bin zehn Minuten vorher im Saal, aus großen Heizlüftern wird unter beträchtlichem Getöse heiße Luft in den Raum geblasen. Aufwärmen durch Rumliegen, herrlich. Und dann ist es vier Uhr, die Trainerin kommt herein und fängt an, Anweisungen zu geben, und wird damit für die nächsten anderthalb Stunden nicht mehr aufhören. Die Heizlüfter rauschen, die Raumakustik ist weniger berauschend, die Trainerin spricht manchmal indisch, und wenn sie deutsch spricht, spricht sie Englisch und sagt zum Beispiel „Klasse“ zu einer Stunde, und „das Bein liften“. Wir fangen mit einer Atemübung im Stehen an, dann viele Balanceübungen. Ich dachte, so was könnte ich einigermaßen, aber Pustekuchen. Ich kippe immer um. Im Übrigen schwitze ich wie ein Schwein, der Mann neben mir tropft ebenfalls, dabei haben wir noch gar nichts Anstrengendes gemacht. Die Heizlüfter rauschen, es hallt, ich verstehe die Namen der Asanas nicht (ich verstehe oder weiß irgendwoher, dass die Übungen Asana heißen), und wenn ich sie verstünde, könnte ich nichts damit anfangen, ich kriege nur die Hälfte mit und gucke mir die andere Hälfte bei den anderen ab. Die Anweisungen kommen in einem einzigen Wortschwall, hebt-die-Arme-hoch-über-den-Kopf-Kopf-zwischen-die-Oberame-die-Finger-verschränkt-die-Zeigefinger-zeigen-nach-oben-streckt-euch-zur-Decke, was machen die anderen, es rauscht, ich hebe die Arme, und das. ist. verdammt. anstrengend. Nicht zu fassen, es kann doch nicht anstrengend sein, die Arme zur Decke zu strecken, nur wegen läppischer achtunddreißig Grad. Celsius.
Ich würde gern einen Schluck trinken, nein, ich würde gern viel trinken, aber es geht Schlag auf Schlag, eine Übung nach der anderen, die Entspannungsphase dazwischen dauert wenige Sekunden. Übung lösen, gerade stehen, nächste Übung. Dann endlich: Ihr könnt jetzt was trinken. Ich nehme meine Flasche, schraube sie auf, und als ich sie gerade an den Mund setze, kommt die Anweisung zur nächsten Übung, keine Zeit für mehr als ein paar Schlucke. Wir machen weitere Übungen im Stehen, mit Runterbeugen, zu den Seiten, nach Vorne, nach Hinten, immer wieder hängt der Kopf nach unten und beim Aufrichten macht mein Kreislauf schlapp, ich muss ein bisschen aufpassen, kurz mal Pause machen. Ich bleibe stehen, wie die Trainerin es mir geraten hat, gerade und mit hängenden Armen, jedes Anwinkeln kostet den Kreislauf zusätzliche Kraft. Und weiter geht’s, Übungen im Liegen, das Handtuch, auf dem ich liege, ist klatschnass, meine Klamotten auch. Warum um alles in der Welt habe ich eigentlich diesen Sport-BH angezogen? Den braucht man hier wirklich nicht, es wird nicht gehüpft, er ist viel zu dick und zu warm. Zwischendurch sekundenweise Entspannung, es gibt sogar ein indisches Wort für gerade auf dem Rücken liegen, und man darf die Augen nicht schließen. Meine gehen immer von selbst zu. Wenn man die Augen schließt, signalisiert man dem Körper, er könne sich jetzt ausruhen, und das macht das Weitermachen nur schwieriger, erklärt die Trainerin. Ich schwitze. Mir fallen die Augen zu. Nächste Übung. Kobra, Kamel, Kaninchen. Schwitzen, trinken, Rückenlage, Situp, schwitzen, trinken, Augen auf, schwitzen, schwitzen, Kreislauf. Jede Übung für sich wirkt nicht besonders schwierig, aber ist. das. warm. Und anstrengend.
Mit einer letzten Atemübung ist nach anderthalb Stunden Schluss. Wer will, kann gehen, und wer will, kann noch einen Moment liegen bleiben. Ich entscheide mich für Liegenbleiben, die Trainerin macht Musik an, manche gehen, ich liege da und werde urplötzlich und vollkommen unerwartet von einem Schluchzen geschüttelt, das ich gerade so weit unterdrücken kann, dass es niemand merkt. Mein Unterkiefer zuckt, mein Zwerchfell zuckt, mir schießen die Tränen in die Augen und mein Hals schnürt sich zu. Wäre ich allein oder beim Mann, würde ich hemmungslos weinen, aber ich bin nicht allein und nicht hemmungslos, es sind wildfremde Menschen um mich herum. Ich bleibe eine Weile liegen.

Am Duschraum steht, man möge bitte nur kurz duschen, der Umwelt zuliebe. Das finde ich ein bisschen niedlich, nebenan wird mittels elektrischer Heizlüfter Indien gespielt, und hier sollen wir umweltschonend duschen. Ich hätte mir das Duschen auch gleich ganz sparen können, denn ich schwitze sowieso für den Rest des Tages munter weiter.

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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