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Dienstag, 6. Oktober 2009
Is a book

Siegfried Lenz: Landesbühne

Der Roman beginnt so:

„Schau dir das an, Professor“, sagte mein Zellengenosse, „komm her und schau dir das an.“ Er stand am vergitterten Fenster, ein kahlköpfiger Mann, der Ohrringe trug, und zeigte hinab auf den Gefängnishof, wo das Tor geöffnet wurde und ein blauer Bus erschien. Über die Länge des Busses hin stand in Blockbuchstaben LANDESBÜHNE, zwei stilisierte Masken versprachen geheimnisvolles, jedenfalls unterhaltsames Spiel.

Ich kann sie mir genau vorstellen, die ältere Dame aus einem Kaff wie Grünau, die das „ganz charmant“ findet, ja, „frech“. Sie trägt eine dunkelblaue Steppweste und einen praktischen Kurzhaarschnitt. Wenn ihr die Vokabeln „Possenspiel“ und „Köpenickiade“ einfallen, fühlt sie sich richtig gebildet.
Entschuldigung. So bin ich ja sonst gar nicht. Aber irgendwo in meinem Hinterkopf wird Siegfried Lenz unter „große alte Herren der deutschen Literatur“ einsortiert, ich weiß gar nicht, warum – als ich vor ein paar Jahren im Urlaub in Polen „So zärtlich war Suleyken“ las, fand ich das auch schon entsetzlich tantig und betulich, und weder geheimnisvoll noch unterhaltsam.

Eine Truppe der Landesbühne kommt also ins Gefängnis, um ein Stück aufzuführen, und in der Pause entschwindet ein Grüppchen von Gefängnisinsassen im Landesbühnebus. Die Gefängnisinsassen sind allesamt keine unsympatischen Menschen, eher so nette Typen, charmante Kleingauner, der Professor beispielsweise, der Ich-Erzähler, sitzt deswegen, weil einige seiner Studentinnen ein sehr gutes Examen gemacht haben, nachdem sie vorher bei ihm übernachtet hatten. Das Grüppchen der Flüchtigen landet in dem Ort Grünau, in dem gerade das Nelkenfest gefeiert wird. Natürlich werden sie für das Ensemble der Landesbühne gehalten, Grünau freut sich und behält die Truppe gleich da. Unter anderem, um kurz mal eben eine Volkshochschule und ein Heimatmuseum aus dem Boden zu stampfen, die ratzfatz eingerichtet sind, noch bevor das Nelkenfest zu Ende geht. Und am Ende, ach je, ich erzähle keine Enden.

Bestimmt ist das alles eine große Metapher, die ich nur nicht verstanden habe. Tantig und betulich auch dieses Buch, langweilig und noch dazu: überhaupt gar nicht gut geschrieben. Da gibt es Relativsätze im Relativsatz, es gibt Relativsätze, wo keine hingehören, es gibt sonderbare Wortkreationen („Innenseiter“ für Insider), falsche Bezüge, sperrige, unnötige Substantivierungen und Komplizierungen, umständliche Nebensatzkonstruktionen, da stimmt die Zeitenfolge nicht, und noch dazu ist es in einer Rechtschreibung geschrieben, die schon seit Jahren nicht mehr gilt. Kostprobe in Schülerprosa: Ich suchte und suchte, und als ich bereits glaubte, daß meine Befürchtung recht behalten würde, entdeckte ich Hannes im Sanitätsraum.
Ich habe das Buch zu Ende gelesen, weil es nur knapp 120 Seiten hat, und weil ich es vom Verlag geschenkt bekommen habe. In der Hoffnung, dass ich hier eine tolle Empfehlung schreibe und alle meine Leser loslaufen und das Buch kaufen. Tut mir leid, HoCa. Nächstes Mal lieber wieder was Wolf-Haas-haftes.

Beim Wegräumen habe ich festgestellt, dass das tatsächlich das siebte Buch von Siegfried Lenz in unserem Regal ist. Sie stehen zwischen Harper Lee und Donna Leon.

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
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und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
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don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
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isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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