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Mittwoch, 16. Dezember 2009
Is a book

Jeffrey Eugenides (Mechthild Sandberg-Ciletti): Die Selbstmordschwestern

Der Roman beginnt so:
An dem Morgen, als die letzte Lisbon-Schwester Selbstmord beging – Mary diesmal, mit Schlaftabletten wie Therese -, wussten die Sanitäter schon genau, wo die Schublade mit den Messern war, wo der Gasherd und wo im Keller der Balken, an dem man das Seil festbinden konnte. Wie immer viel zu langsam, unserer Meinung nach, stiegen sie aus dem Rettungswagen, und der Dicke murmelte tonlos: „Wir sind hier nicht im Fernsehen, Leute. Schneller geht’s nun mal nicht bei uns.“ Vorbei an den bis ins Monströse gewachsenen Büschen trug er das schwere Atemgerät über den verwilderten Rasen, der vor elf Monaten, als die Geschichte begonnen hatte, zahm und akkurat gepflegt gewesen war.

„Wir“ sind die Jungs aus der Nachbarschaft. Sie sitzen in den Gärten gegenüber, gucken durch die Gardinen, treffen sich in ihrem alten Baumhaus und beobachten das Haus der Lisbons. Im Laufe eines Jahres Anfang der siebziger bringen alle fünf Lisbon-Töchter sich um, das erfahren wir gleich im ersten Satz. Die Jungs schauen von außen zu, sie beobachten das Haus, das zusehends verfällt, und fragen sich, was hinter dessen Mauern geschieht. Sie sehen die Mädchen natürlich täglich in der Schule, aber immer scheinen sie von einem Geheimnis umgeben zu sein, sie kommen nie richtig an sie heran, bis auf Ausnahmen, und so beobachten sie sie einfach, hilflos, ebenso hilflos wie ihre Eltern, die Lehrer, wie überhaupt die gesamte Erwachsenenwelt.
Jetzt, Jahrzehnte später, versucht dieses diffuse „wir“, die Ereignisse von damals zu rekonstruieren, sie sammeln Beweisstücke, erinnern sich, sprechen mit Lehrern, Ärzten und sogar den Eltern der fünf toten Mädchen. Denn fünf Selbstmorde direkt vor der Haustür gehen an einem Jugendlichen nicht spurlos vorüber. Was ist damals eigentlich passiert?
Boah. Hilflos ist tatsächlich das Wort, das es am besten trifft, man fühlt sich als Leser ebenso hilflos wie die jugendlichen Beobachter es sind, und das ist ein irgendwie ungewöhnliches Lesegefühl. Und wahrscheinlich das für dieses Thema passendste. Da nehmen sich fünf junge Mädchen das Leben. Und man ist hilflos. Beeindruckend, wie Eugenides es schafft, dass man als Leser tatsächlich, ebenso wie die beobachtenden Jungs, den Mädchen manchmal etwas näher kommt, und sie dann wieder hinter verschlossenen Vorhängen verschwinden. Und man nichts dagegen tun kann. Großartiges Buch. Und sogar mit einem sehr feinen Humor, der nur ganz dezent manchmal aufblitzt.

Jeffrey Eugenides steht im Regal zwischen Jenny Erpenbeck und Horst Evers. Aber das wisst Ihr ja schon.

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Fundstück

(Ich habe es selbst nicht gesehen, gebe hier nur wieder, was Burkhart Kröber im Übersetzerforum berichtet. Im Netz finde ich den Artikel nicht.)

In der Süddeutschen Zeitung von heute schreibt Christian Zaschke auf der prominenten Seite 3 über die unerwarteten Verkaufserfolge von "Unendlicher Spaß" von David Foster Wallace und "2666" von Roberto Bolaño und geht dabei auch auf die Übersetzer Ulrich Blumenbach und Christian Hansen ein. Unter anderem schreibt er:

Zu den unergründlichen Phänomenen der Schöpfung zählen neben dem Meer, dem öffentlichen Personen-Nahverkehr und der italienischen Küche ohne Zweifel die erwähnten literarischen Übersetzer, denen ein Denkmal gebaut werden muss. Jahrelang spüren sie Wörtern nach, kämpfen mit wirren, öden, magischen Passagen, sie leiden am Autor, und wenn sie endlich fertig sind, dann folgen die Überarbeitung, das Lektorat, das Lesen der Druckfahnen, das Lesen der zweiten Druckfahnen, noch einmal drei unbezahlte Monate, nachdem die Arbeit schon vorher so arg lächerlich bezahlt war.

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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