Arbeitskonzept
Wenn ich mit der Übersetzung eines neuen Buchs anfange, mache mir immer erstmal einen Plan. Manchmal schriftlich, manchmal im Kopf, manchmal detailliert, manchmal übern Daumen gepeilt. Tageweise, wie viele Seiten ich an welchem Tag schaffen muss, bereits vorhandene Termine mit eingeplant, oder eben nur so grob, soundsoviele Seiten pro Woche, oder bis Ende des Monats.
All diese Pläne haben gemeinsam, dass ich mich schon am ersten Tag nicht daran halte. Nie. Niemals nie nicht. Und auch am zweiten Tag hole ich nicht auf, und nicht am dritten oder vierten. Ich mache vielmehr erstmal drei Wochen lang gar nichts. Das heißt, ich sitze am Schreibtisch, lungere im Internet herum und rede mir ein, jetzt gleich aber wirklich mit der Arbeit anzufangen. Und plötzlich sind, schwupps!, drei Wochen vergangen, und ich frage mich, was ich eigentlich die ganze Zeit gemacht habe.
Dann fange ich so langsam an zu arbeiten. Und dann wird es irgendwann enger, und ich ziehe das Tempo an, und dann ziehe ich es noch mehr an und wundere mich, wie man plötzlich so viel in so kurzer Zeit übersetzen kann, gleichzeitig frage ich mich, wie ich das noch alles schaffen soll, ärgere mich über mich, dass ich wieder nicht rechtzeitig angefangen habe, und die letzten Nächte sind meist sehr kurz. Aber ich habe noch nie zu spät abgegeben, und ich gebe auch nichts Schlampiges ab. Was ich abgebe, ist gut, und es ist pünktlich, aber der Weg dahin … nun ja. Aber das System funktioniert, ich arbeite seit 10 Jahren so, beziehungsweise schon immer, aber seit 10 Jahren übersetze ich Bücher auf diese Weise. Ich brauche den Druck, je höher, desto besser. Jetzt ist mir aber etwas Seltsames passiert. Ich habe zwei Bücher auf einmal angenommen. Das erste war vor Weihnachten abzugeben, das zweite Mitte Februar. Von Weihnachten bis Mitte Februar sind es sechs Wochen, eindeutig zu wenig für 400 Seiten. Beziehungsweise unmöglich. Es war also klar, dass ich schon das erste Buch deutlich vor Weihnachten abgeben musste, um mit dem zweiten anfangen zu können. Nun ja. Ich habe eine Weile vor Weihnachten abgegeben. Vielleicht zum allerersten Mal überhaupt in meinem Leben habe ich früher abgegeben, als ich musste. Aber natürlich nicht früh genug, das zweite Buch ist verdammt knapp, verdammt-verdammt-verdammt knapp.
Ich habe mir dann einen Plan gemacht. Schon vor Weihnachten. 10 Seiten am Tag, das geht, dochdoch, es muss jetzt nur dummerweise jeden Tag gehen, und das ist dann doch ganz schön ehrgeizig. Zumal Pläne und ich, aber das hatten wir schon.
Mysteriöserweise bin ich jetzt auf Seite 120 des Originals. In echt. Und planmäßig. Ich bin seit 120 Seiten im Plan. Ich habe schon Fieber gemessen, ist aber nichts. Keine Ahnung, was es sonst sein könnte. Das Buch fluppt, es lässt sich prima übersetzen und ärgert mich nicht und ist quasi recherchefrei, ich mag es, das macht sicher viel aus. Aber das hatte ich natürlich auch schon bei anderen Büchern, das allein kann es nicht sein. Gestern hatte ich viel vor, 16 Seiten, weil ich übers Wochenende weniger geschafft hatte als geplant, das ist mörderviel, und ich war trotzdem um halb neun abends fertig. Mit dem Tagwerk. Da habe ich vor lauter Freude noch ein bisschen mehr gemacht, und dann war es kurz nach neun, und ich hatte Feierabend.
Feierabend. So richtig. Ich habe mich mit einem Buch ins Bett gelegt, um halb zehn am Abend, mitten in meiner üblichen Arbeitszeit, und der Mann hat mir Bier und Chips gebracht. Ich lag da und habe ein Buch gelesen, einfach so zum Spaß. Der Hammer. Ich war fertig mit der Arbeit. Feierabend.
Ich glaube, das mache ich jetzt öfter. Ich bin immer noch ganz platt, Feierabend! Wie geil ist das denn! Jetzt schnell was wegschaffen. Und heute Abend vielleicht schon wieder Feierabend haben. Irre.
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(3 Kommentare)
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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!!
(aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
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