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Mittwoch, 7. April 2010
Fit und Well (9): Salzgrotte

Im Bus fällt mir ein, dass ich die Kamera vergessen habe. Das ärgert mich, mächtig, denn die Bilder im Internet sehen schon aus, als wäre das alles höchst fotografierenswert. Sowas Blödes!
Seit ich den Gutschein habe, schmecken meine Lippen, sobald ich daran denke, salzig. Die Psyche ist ein wunderliches Ding. Nach fast einer Dreiviertelstunde Fahrt steige ich bei der Manufaktur „Puschenalarm" aus dem Bus, gehe noch ein paar Schritte und bin da: bei der Hamburger Salzgrotte. Ich möchte „Kraft und Gesundheit tanken mit einer Brise Salz“. Oben im Laden gibt es Salzlampen, Salzklumpen zum Hinstellen, Klangschalen und Bilder von Engeln. Man kann sie kaufen. Die Engelmalerin macht auch Meditationen mit Engeln in der Salzgrotte. Sogar mit Erzengeln. Man kann auch Karten und Kissen mit Heilzeichen drauf kaufen, es liegen Flyer für Heilzeichenkurse und Persönliche Lichtwesenbilder und Herzensöffnung aus.
Ich glaube nicht an Engel, ich glaube an Salz. Salzhaltige Luft ist gut bei Atemwegs- und Hauterkrankungen, Menschen wurden schon immer zur Kur ans Meer geschickt, warum also nicht auch in die Salzgrotte. Allerdings bin ich gesund, ich brauche keine Kur, ich bin nur neugierig. (Zweitens hatte ich die Hoffnung gehegt, hier eine Salzmühle kaufen zu können, aber das ist vielleicht zu prosaisch.) Als ich ankomme, warten bereits vier alte Damen. Wir bekommen Plastiküberschuhe über unsere Schuhe, weil auf dem Boden auch Salz liegt, das unsere Schuhe kaputtmachen würde. Dann kriegen wir je zwei Decken und werden in den Keller geführt, wo aus Tonnenweise Salz aus dem Himalaja und dem Toten Meer eine Grotte gebaut wurde. Es ist ziemlich dunkel, ich hätte sowieso nicht fotografieren können. Die Decke ist recht niedrig, und es hängen Stalaktiten herunter, ich muss aufpassen, mir nicht den Kopf zu stoßen. Ein wenig Licht kommt hinter den Salzwänden durch, wie Salzlampen eben, und es stehen ungefähr sechs Liegestühle herum. Wir setzen uns, kippen die Liegen nach hinten, wickeln uns in Decken ein, und die Chefin wünscht mir und den fünf alten Damen gute Erholung und schöne Träume. Die Dame neben mir hat einen guten Grund, hier zu sein, sie hat etwas mit den Atemwegen. Der Weg die Treppe herunter hat sie angestrengt, jedes Ausatmen streift irgendwie ihre Stimmbänder, und sie stößt mit jedem Atemzug einen Laut aus.
Es läuft Entspannungsmusik, Synthesizergewaber mit Flöte. Zwischendrin rasselt der Atem meiner Nachbarin. Ich schließe die Augen, stelle fest, dass außerdem irgendwo Wasser plätschert, das hatte ich beim Reinkommen gar nicht gesehen. Hoffentlich muss ich gleich nicht aufs Klo, ich soll hier eine Dreiviertelstunde liegen bleiben. Musik und Beleuchtung, habe ich gelesen, erhöhen das Wohlbefinden. Ich frage mich immer, woher diese Legende mit der Musik kommt, ich würde Stille viel entspannender finden. Es könne sein, dass man heute Nachmittag hustet (meine Nachbarin hustet jetzt schon), dass man ein Kribbeln auf der Haut spürt, oder dass man öfter zur Toilette muss, weil die Lymphe angekurbelt würden, hatte die Chefin erklärt. Ich lecke mir über die Lippen und stelle fest: schmeckt gar nicht salzig. Das hätte ich erwartet, ist aber nicht so. Auch sonst, na ja, gut, dass Salz nicht stark riecht, weiß man auch so. Die Luft hier soll aber trotzdem total gesund sein. Meine Nachbarin fiept. Ich dämmere weg.
Huch! Mein Mund steht offen. Habe ich geschlafen? Habe ich am Ende gar geschnarcht, so wie meine Nachbarin? Immerhin habe ich nicht gesabbert. Besonders warm ist es nicht, ich bin froh, dass ich die Decken habe. Und so liege ich da herum, eine Dreiviertelstunde lang. Mehr gibt es nicht zu berichten. Ich huste auch jetzt noch nicht, meine Haut kribbelt nicht, ich habe mich bestimmt total entspannt und tolle Salzluft geatmet, „so wertvoll wie zweidrei Tage am Meer“. Ich fühle mich auch schon ganz erholt. Außer dass ich lieber die Wellen hätte rauschen hören statt der Entspannungsmusik, und lieber die Sonne als das Salzlampenlicht gesehen hätte. Aber sonst, dochdoch.

(Mehr Fit und Well)

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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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