Mit anderen Worten: Was Bücher mit Übersetzern machen
Man wirft Übersetzern ja gerne vor, was sie Schlimmes mit einem Buch gemacht hätten. Oder man bejubelt sie für das, was sie mit einem Buch gemacht haben. Natürlich machen Übersetzer etwas mit Büchern. Aber Bücher machen auch etwas mit Übersetzern.
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(5 Kommentare)
Fit und Well (10): Lebensfreudemesse
Zur Einstimmung auf diesen Eintrag kann man schön den Lebensfreudemessesong hören, hier in der linken Spalte. Da war ich nämlich, auf der Lebensfreudemesse.
Lebensfreude
Wir kaufen uns ein Mangolassi und probieren als erstes ein Trampolin aus. Eine nette Dame lässt uns hüpfen, Hüpfen ist gesund, denn man braucht dafür alle möglichen Muskeln und den Gleichgewichtssinn, es bringt den Kreislauf in Schwung, die Bewegung ist sanft und ohne harte Stöße, außerdem macht Hüpfen Spaß. Lebensfreude scheint mir eine ganz vernünftige Angelegenheit zu sein.
Unsere nächste Station ist ein Massagekissen. Es ist vielleicht 25 cm hoch und knapp 40 breit, man sitzt auf Gartenstühlen, das Kissen in der Lendenwirbelsäule massiert erstaunlich heftig. Total toll. Ein gesprächiger Chinese kippt uns die Stühle nach hinten und legt uns die Massagekissen unter den Schulter-/Nackenbereich – woah. Tut weh, tut gut, wir wollen gar nicht mehr aufstehen. Wir lassen uns rauf und runter den Rücken massieren und finden Lebensfreude super.
Ich wundere mich über den Stand der Partei „Die Violetten. Für eine spirituelle Politik“, aber mein Begleiter sagt, die treten auch regelmäßig zu Wahlen an. Ich vergesse so was ja immer gleich, finde es aber zauberhaft, wie intensiv das junge Paar hinter dem Stand mit einander bzw. mit Knutschen beschäftigt ist. Diese Lebensfreude! Auf der Webseite der Partei gibt es übrigens ein weiteres tolles Lied, könnt Ihr googeln.
Energie
Aber es ist nicht alles Spaß. An manchen Ständen merkt man deutlich, dass Lebensfreude eine ernste Angelegenheit ist. Man sorgt sich um unsere Heilung. Heilung ist das große Thema. Und Energie. Energie ist wichtig, Energie ist das, was wir brauchen, Energie ist das Gute. Das hat man schnell begriffen. Erhalten kann man diese Energie beispielsweise mittels einer Energiepyramide, einem erstaunlich hässlichen Teil, das es in zwei Größen gibt: groß und sehr groß. Die große hat eine Reichweite von acht Metern, die sehr große fünfundzwanzig. Die Pyramide aus Messingstäben steht auf einem Boden aus Acryl, und darin befindet sich eine kleinere, ebensolche, aber auf dem Kopf stehende Pyramide. Durch die Mitte verläuft ein Stab, der mit Halbedelsteinen oder so was gefüllt ist.
Ein junges Mädchen sagt zur Erklärung auf, was es auswendig gelernt hat: die Spitze der Pyramide nimmt Energie aus dem Kosmos auf, die durch die Pyramide nach unten hin breit abgestrahlt wird. Die innenliegende Pyramide nimmt die Energie der Erde auf und strahlt sie nach oben hin ab. Dadurch entsteht ein sehr kraftvolles Energiefeld, das man auch spüren kann. Wir sollen die Hände unter die Pyramide halten. Oder an die Ecken. Oder innen rein. Ob wir die Energie spüren? Nein, sagen wir. Es könne warm sein, oder kalt, oder ein Kribbeln. Wir spüren nichts. Sie führt uns von der großen zur sehr großen Pyramide, und hier? Nein, sagen wir. Dass es ein bisschen kühl ist, sagt mein Begleiter, liege natürlich am Plexiglas.
Das junge Mädchen ist ratlos, der Mann am Stand kommt ihr zu Hilfe. Ob ich die Pyramide schön finde, fragt er, und ich bin ein bisschen stolz auf mich, dass ich statt eines entsetzten „das ist ja wohl nicht Ihr Ernst“ immerhin ein halbwegs diplomatisches „mein Geschmack ist es nicht“ herausgebracht habe. Ob mir Silber denn besser gefallen würde. Äh, nee, das macht’s dann auch nicht. Er erklärt uns noch mal dasselbe, wir spüren immer noch nichts. Zur besseren Erklärung empfiehlt er uns, die CD mit der Aufzeichnung seines Auftritts bei Jürgen Fliege zu kaufen, da wäre das alles super erklärt. Und da hätten sie die Energie auch gemessen, die hatten da ein Messgerät, und da hatte die Pyramide an der einen Stelle einen Messwert von achtundzwanzig! Mein Begleiter fragt, um was für Energie es sich denn handle. Na, die Energie in der Pyramide eben. Ja, aber was für eine Art von Energie denn, Wärme, elektrische Energie, magnetische? Also, das wäre mit diesem Gerät hier gemessen worden: er zeigt auf ein Bild von irgendeinem elektrischen Gerät.
Was uns am meisten erstaunt, ist, dass der Mann nicht mal eine Erklärung parat hat. Dass er mit der einfachsten aller Fragen so ins Schwimmen gerät, und nicht mal einen Verwirrtext auf Lager hat. Die Fliegesendung war, wenn ich mich recht erinnere, 1998 oder 99, der Mann macht das also schon eine Weile. Und wir sind schon wieder stolz auf uns, dass wir das ohne Lachen überstanden haben. Die Begleiterin musste allerdings zwischendurch kurz weggehen.
Klangschalen, Gongs
Zur Entspannung und wegen der Lebensfreude stelle ich mich als nächstes strumpfsockig in eine große Klangschale. Eine sehr schöne Frau mit ganz langen Haaren und grundsympathischer Ausstrahlung schlägt die Schale an, dazu eine weitere, kleinere, mit der sie mir dann am Körper entlangfährt. Die Schale, in der ich stehe, schwingt so stark, dass meine Begleiter es sogar über den Boden und durch die Schuhsohlen spüren, der Ton der kleineren Schale wird lauter und leiser, je nachdem, wohin die Dame sie gerade bewegt. Schwingung ist Energie, das kann man spüren, das ist Physik. Auf welche Weise und in wiefern diese Vibrationen jetzt meine Aura glätten, habe ich nicht verstanden, ist aber auch wurscht. Plötzlich durchrieselt mich ein Schauer, eine Gänsehaut, ich zweifle nicht daran, dass diese Schallwellenübertragung irgendwas mit der Energie in meinem Körper gemacht hat. Wahrscheinlich Lebensfreude.
Und so geht es noch eine Weile weiter. Ein Schamane flötet mit einer indianischen Flöte jemanden an, der dazu über Pferdefotos meditiert. Meine Begleiterin meint, ich müsse an meiner Ausdrucksweise arbeiten, es heißt nicht „er guckt Pferdebilder an“, sondern „er baut eine Beziehung zwischen Mensch und Krafttier auf, um in Einklang mit der Natur …“ der Rest geht im Stimmengewirr unter.
Überhaupt, die Ausdrucksweise. Wir sind in einem Paralleluniversum mit einer ganz eigenen Sprache. Es geht dauernd um Energie, um Kraft, Heilung, Aura, Kraftpunkte, Krafttiere, energetischen Ausgleich, das Energetisieren von Wasser, das Begradigen der Aura, um Einklang, Engel, Licht, Lichtwesen, um unser Inneres und den Kosmos. Und eine mediale Ausbildung ist auch nicht das, was man sich anderswo darunter vorstellt.
Ein weiterer Chinese labert mich mit Mundgeruch und einem schier nicht enden wollenden Wortschwall über sein handliches kleines Massagegerät voll. Er hält meine Hand fest, zeigt mir, wo welche Reflexpunkte sind, drückt mir das Teil in die Hand, damit ich es selbst ausprobiere, nennt plötzlich einen Preis, Messeangebot, wolle kaufe? Nee danke, lassma, ich wüsste ja gar nicht, wohin mit so viel Lebensfreude.
Nach zweieinhalb Stunden sind wir vollkommen erschöpft. Wir setzen uns in die Vorhalle, essen einen vegetarischen ayurvedischen Gemüsematsch und lauschen halbherzig den Ausführungen darüber, wie man sich mit minderhübschen Kettenanhängern gegen Elektrosmog schützen kann. Der Gemüsepapp gibt uns den Rest, wir verlassen nach nur drei Stunden die Messe und ich fahre schnurstracks nach Hause, wo ich sofort ins Bett und in einen bleiernen Schlaf falle. Keine Ahnung, was die da auf der Messe mit meiner Energie gemacht haben. Geklaut, scheint’s.
Was ich wirklich bedaure, ist, dass wir das Überraschungseiorakel nicht gemacht haben. Das hätten wir tun sollen, für einen Euro.
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(10 Kommentare)
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Online for 8202 days
Last modified: 06.06.24, 10:52
Sie sind nicht angemeldet
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!!
(aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
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