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Sonntag, 18. April 2010
Fit und well (11): Siebenmeilenstiefel

Samstag
Ich gehe in den Laden, um die Siebenmeilenstiefel erstmal auszuprobieren. Der nette Herr dort zieht sie mir an und nimmt mich an die Hand, und es gibt eine Stange, wie beim Ballett, an der man sich festhalten und die ersten Schritte versuchen kann. Dann geht es schon mit nur einer Hand und dann ohne, man kriegt die Bewegung schnell raus. Und wer gehen kann, kann auch ein bisschen laufen, und hüpfen, jippie! Das macht Spaß! Jetzt hinfallen, sagt der freundliche Herr. Wie, hinfallen, sage ich. Nach unten, sagt er, nicht irgendwohin, keine Judorolle oder so was, nur runter, fallenlassen, auf die Knie, schön langsam. Die Siebenmeilenstiefel sind gut 40 cm hoch. Ich bin 1,81. Mein Kopf befindet sich in mehr als 2,20 m Höhe, und ich soll mich fallenlassen. „Nach unten“. Is klar.
Luftholen.
Ich trage Knieschoner, direkt unter den Knieschonern ist ein gepolsterter Metallbügel, was soll schon passieren? Ich lasse mich fallen, auf die Knie, Hände, Bauch, ich liege platsch! bäuchlings in voller Länge im Laden. Aua. Aber okay. Ging eigentlich.
Dann übe ich beidbeiniges Hüpfen. Dafür muss man erstaunlicherweise die Knie durchgestreckt lassen, die Federung kommt aus den Schuhen, nicht aus den Knien, es dauert einen Moment, bis ich die Bewegung raushabe, aber dann geht auch das. Und noch einmal hinfallen, bitte. Diesmal kriege ich dabei einen etwas übleren Stoß in den Rücken, aua.
Ich hüpfe noch ein bisschen im Laden herum, am liebsten würde ich die Dinger gleich anbehalten.

Sonntag
Schon als ich auf den Laden zugehe, sehe ich vor mir ein paar junge Leute mit geschulterten Siebenmeilenstiefeln. Insgesamt ist die Gruppe am Ende ungefähr dreißig Leute stark, darunter Profis und absolute Anfänger (noch anfängeriger als ich, also solche, die noch nicht im Laden waren und geübt haben), im Alter zwischen 15 und 55, schätzungsweise. Wir gehen los, ich muss daran denken, immer schön die Knie zu heben. Die Straße ist nicht so eben wie der Boden im Laden, aber es geht, ganz gut sogar, erstaunlich gut, tirili! *stolper* Man darf sich nur nicht kurz mal nicht konzentrieren. Wir gehen an die Alster, die jungen Hüpfer machen unfassbar hohe Sprünge und Kunststückchen, die Anfänger sind noch im Laden und tun das, was ich gestern schon gemacht habe. Ich trappel ein bisschen abseits vor mich hin. Gehe, laufe ein bisschen, hüpfe. Setze mich mal kurz, das ist nämlich reichlich anstrengend. Der Herr im Laden hatte gesagt, man wäre insgesamt etwa drei Stunden unterwegs, da fange ich lieber rechtzeitig mit dem Pausemachen an. Jemand anders sagt, drei Stunden wäre ja wohl Quark, es würden eher so vier bis fünf, oder auch schon mal sieben. Sehr witzig.

Sollen sie doch sieben Stunden siebenmeilenspringen. Mir werden die drei schon reichen, hü-hüpf, es ist herrlichstes Wetter, blauer Himmel und Sonnenschein, die Alster glitzert, und es macht großen Spaß. Dann gehen wir weiter zum Rathausmarkt, und das ist eine. verdammt. lange. Strecke. Wir gehen zwar langsam, aber das ist anstrengend genug, ungewohnte Bewegungen, ungewohntes Balancehalten. Am Rathausmarkt legen die jungen Burschen erst richtig los. Haben die eine Energie. Verschiedene Fotografen werfen sich ihnen zu Füßen. Ich mache mal wieder Pause, liege auf einem breiten, hohen Brückenpfeiler, von dem ich auch gut wieder runterkomme. Denn sonst ist Aufstehen natürlich so eine Sache.
Und dann hüpfe ich noch ein bisschen auf dem Rathausmarkt herum, renne ein paar Schritte, mache wieder Pause. Ich wurde noch nie in so kurzer Zeit so oft angeguckt, angesprochen und fotografiert. Die jungen Hüpfer hüpfen kleine Choreographien, hier und da einen Salto, meterhohe Sprünge, Schrauben, Kunststücke. Alles sieht total leicht und einfach aus, wie schwerelos, während mir langsam jeder Muskel wehtut. Erstaunlicherweise vor allem die Bauchmuskeln. Und Rücken. Und Beine. Und alles. Überhaupt, mein Rücken. Wo ich gestern beim Fallen den Stoß bekam. Das fühlt sich jetzt nicht mehr so richtig gut an.
Vom Rathausmarkt aus kann man die Türme der Mundsburg sehen. Da in der Nähe ist der Laden, zu dem wir zurückmüssen. Verdammt weit weg. Genauer betrachtet ist es unfassbar weit weg. Unmöglich. Die Dinger an meinen Füßen sind nämlich inzwischen ganz schön schwer. Dann mal los. Die Cracks gehen noch weiter in die Hafencity.

Am Ende waren wir knapp fünf Stunden unterwegs. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, bin ich von den Anfängern die einzige, die die komplette Zeit auf Siebenmeilenstiefeln verbracht hat, alle anderen haben zwischendurch getauscht und sind ein Stück zu Fuß gegangen. Also, auf ihren eigenen Füßen. Und gefallen bin ich auch nicht.
Ich platze vor Stolz.
Als wir wieder im Laden sind, lassen alle alles fallen, alle sind komplett fertig. Ich schaffe es irgendwie aus den Schuhen raus, ziehe mir ein frisches T-Shirt über und gehe. Erst im Bus fällt mir ein, dass mir unterwegs zwei Leute ein bisschen Geld geliehen haben, damit ich mir ein Eis und ein Getränk kaufen konnte. Falls Ihr das hier lest, Ihr beiden: tut mir leid, das wollte ich Euch doch im Laden wiedergeben! Total vergessen! Die Erschöpfung!
Zu Hause trinke ich mehrere Gläser Apfelschorle. Dann falle ich ins Bett, schlafe eine Stunde wie ein Stein und wache mit Kopfschmerzen wieder auf. Man kann doch keinen Sonnenstich kriegen, bloß weil man sich mal fünf Stunden in der Aprilsonne auf ungewohnte Weise bewegt? Für den Rest der Woche werde ich jedenfalls den Muskelkater aus der Hölle haben, das ist mal sicher. Und wahrscheinlich federt mein Bett heute Nacht genauso wie jetzt mein Schreibtischstuhl.

Kinder! Probiert das mal aus! Jeden Sonntag um elf Uhr ist Treffpunkt im Laden am Mundsburger Damm, dort bekommt man Stiefel geliehen, es kostet nichts und macht irren Spaß. Und irren Muskelkater. (Weitere Informationen gibt es hier und hier.)



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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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