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Freitag, 3. Juni 2005
Aufträge

Da unten in den Kommentaren fragte Bluesky neulich:

Wie ist denn das eigentlich: Hat jeder Verlag ein Adressbüchlein mit seinen Übersetzern und telefoniert rum, wenn er eine deutsche Ausgabe braucht? Und wie kommen die Namen da überhaupt rein? Oder macht er eine Ausschreibung? Oder wendest du dich auch selbst schon mal an einen Verlag und sagst: "Wie wärs, ich würd das hier gerne mal für euch ins Deutsche übersetzen?" Und gibt es auch "unfreie", sprich: fest angestellte Übersetzer? Würde mich wirklich interessieren, wie man in deinem Metier an seine Aufträge kommt.

Tja, das würde mich auch interessieren. Haha. Als ich anfing mit dem Übersetzen, habe ich sämtlichen Kollegen die gleiche Frage gestellt: Wie seid Ihr an die ersten Aufträge gekommen? Die Antwort war auch immer die gleiche: Ach, das war reiner Zufall, ich kannte da einen, der einen kannte ... Toll, dachte ich, ich kenn keinen. Aber da hatte ich ja schon angefangen zu netzwerkeln – nicht aus Berechnung, sondern weil es mich interessiert hat. Erstens ist der Job ja sehr einsam, und ich wollte gerne Kollegen kennen, zweitens habe ich Philologie studiert und das Übersetzen (wie die meisten) nicht so richtig gelernt, und drittens stellte sich auch noch heraus, dass Übersetzer ausgesprochen angenehme, nette und lustige Menschen sind. Also bin ich in den VdÜ eingetreten, habe Seminare besucht, bin zu sämtlichen Übersetzerzusammenrottungen gefahren, habe mich auf Mailinglisten getummelt etc.
Gleich bei meinem ersten Seminar war ein Piper-Lektor dabei, der uns erzählte, er bekomme viele Bewerbungen von Übersetzern, von denen er noch nie gehört habe. Die hefte er alle in einen großen Ordner (wenn er ganz viel Zeit habe, gucke er vorher noch kurz drauf, aber eigentlich habe er nie ganz viel Zeit). Und wenn er dann mal ein Buch zu vergeben habe, und all seine Stammübersetzer könnten nicht, dann würde er ganz bestimmt NICHT in diesen Ordner gucken, sondern "seine" Übersetzer fragen, ob sie jemanden empfehlen können. Mich hat das dermaßen nachhaltig frustriert, dass ich bis heute noch nicht ein einziges Mal einen Verlag "einfach so" angerufen und mich beworben habe. Ich weiß aber, dass durchaus auch schon Kollegen Erfolg damit hatten.
Bei mir hat es auf der anderen Schiene geklappt, Kolleginnen haben mich weiterempfohlen – der Verlag will dann meist noch eine kleine Probeübersetzung, und dann kann man verhandeln. Und zwar für jedes Buch wieder neu. (Als nächstes muss man dann natürlich gute Arbeit leisten und, genauso wichtig, pünktlich abliefern). Inzwischen bin ich seit beinahe drei Jahren ausgebucht, oft ein halbes oder dreiviertel Jahr im Voraus, meist weiß ich schon, was das nächste Buch ist, manchmal sogar das übernächste. Und das ist ein verdammt gutes Gefühl, ehrlich gesagt. (Andererseits ist das fast alles beim gleichen Verlag – wenn der mir aus irgendwelchen Gründen wegbricht, stehe ich dumm da. Wird wohl Zeit, mich doch mal irgendwo anders aufzudrängen.)
Zu der Frage "ich würde gerne dies und jenes für Euch übersetzen": kann man machen, den ausländischen Markt im Auge behalten, viel lesen, Gutachten schreiben, eine kleine Probeübersetzung anfertigen und das den Verlagen anbieten, in deren Programm es passt. Funktioniert aber nur in den kleinen Sprachen, für englische und amerikanische Literatur läuft das alles über Agenturen, da braucht man es gar nicht erst zu versuchen.
Fest angestellte Übersetzer gab es in der DDR, in der BRD eher nicht. Ich habe es jedenfalls noch nicht gehört. Selbst Lektoren gibt es immer weniger in den Verlagen, das meiste wird auch da außer Haus gegeben.
Soll heißen: es ist schwierig. Es gibt eine Menge schlechte Übersetzer und solche, die "es mal versuchen wollen", daher verlassen sich die Verlage lieber auf Empfehlungen und Veröffentlichungslisten. ("Was haben Sie denn bisher so gemacht?" – "Gärten auf kleinstem Raum und Selbstgemachte Kerzen und Potpourris." Diese beiden, meine allerersten Aufträge, bekam ich übrigens über eine Übersetzerdatenbank im Netz. Das bringt’s aber ansonsten nicht.)

Alle Fragen beantwortet?

wenn dein verlag wegbricht, kannst du berufsberaterin für arbeitslose geisteswissenschaftler werden. so wie oben kann man ja fast jeden der potentiellen berufe (autor, freier journalist...) darstellen. es ist eben nicht allein mit dem philologiestudium getan.

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Ja, coole Idee, arbeitslose Geisteswissenschaftler zahlen auch bestimmt besser als viele Verlage.

Aber Du hast natürlich Recht: die Erkenntnis "Netzwerke sind wichtig" ist ungefähr ebenso bahnbrechend wie "aber dann muss man auch zuverlässig arbeiten". Nur erzählt einem an der Uni niemand was vom wilden Leben da draußen.

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Oh ja, herzlichen Dank!
Manche bemängeln ja, dass man in Deutschland beim Kennenlernen fast immer erstmal über seinen Beruf ausgefragt wird. Versteh ich nicht - ich finde sowas immer spannend.

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Ab und an gibt (gab) es tatsächlich Runden für Probeübersetzungen - je nachdem, was die Verlage gerade treiben. Sich blind bewerben muß also nicht zwangsläufig chancenlos sein. Manchmal steht eben doch gerade eine Tür offen. Immer mal Klinke rütteln.

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Ich weiß, habe ich ja auch vor, nur kommt es mir auch ein bisschen blöd vor, gleich dazuzusagen, dass ich aber jetzt erstmal ein Dreivierteljahr lang nicht kann. Obwohl vielleicht gerade das gut ist. (Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt. Ich werde berichten.)

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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