Mittwoch, 11. Januar 2006
Verleger-Meinungsmache zur Übersetzervergütung
isabo,
13:40
Übersetzerstreit Artikel von Hannes Hintermaier in der FAZ von heute Tag der langen Texte heute, aber dazu muss ich dann doch ein paar Anmerkungen loswerden. […] die Vergütung der Übersetzer, die das seit 2002 geltende Urheberrechtsgesetz so ungeschickt mehrdeutig geregelt hat, daß jetzt die ersten Fälle vor Gericht verhandelt werden. Das Urheberrechtsgesetz ist da keineswegs ungeschickt mehrdeutig, sondern sagt ziemlich eindeutig: die Übersetzer müssen mehr Geld bekommen, da die bisher übliche Branchenpraxis unredlich ist. Punkt. Im Kern geht es um die Frage, ob ein Autor, der unter Umständen mehrere Jahre und auf eigenes Risiko an seinem Manuskript gearbeitet hat, gleichberechtigt neben seinem Übersetzer stehen soll, der einen vertraglich festgelegten Auftrag erledigt. Wieso das denn? Verstehe ich nicht. Um die Autoren geht es gar nicht, da will auch niemand groß vergleichen. Es geht um die Übersetzer. Man darf davon ausgehen, daß es guter Branchenkonsens ist, wenn Übersetzer ein ordentliches Auskommen haben. Ach ja? Schön. Die Forderungen, die die in der Gewerkschaft Verdi organisierten Übersetzerverbände […] ähm, das ist nur einer. Haben die Gerichte die derzeit gängigen Seitenpreise zwischen siebzehn und zwanzig Euro in der ersten Instanz als angemessen beurteilt, Da sind Sie falsch informiert. Mit Seitenpreisen zwischen siebzehn und zwanzig Euro gehört man durchaus schon zu den Besserverdienern. Es gibt genügend Kollegen, die unter 15 Euro bekommen – und nicht unbedingt deswegen, weil sie schlechte Übersetzer wären. beharren die Übersetzer künftig ab dem ersten Exemplar auf einer Honarabeteiligung von drei Prozent (bislang ein Prozent, jeweils ab zu verhandelnder Auflagenhöhe) sowie auf einem bis zum Zwölffachen gesteigerten Anteil an den Verkaufserlösen von Nebenrechten. Das ist das, was die Gerichte ihnen bisher zugesprochen haben. Ziemlich viele Übersetzer wären mit höheren Seitenhonoraren glücklicher als mit höheren Umsatzbeteiligungen. Ich weiß nicht genau, was gerade die offizielle Linie unserer Verhandlungskommission ist, möglicherweise beharren "wir" tatsächlich darauf, weil über die Seitenpreise noch schwieriger ewas zu erreichen ist. Und dass es bislang ein Prozent Auflagenbeteiligung gäbe, ist so pauschal auch nicht wahr. Keine Ahnung, woher Herr Hintermeier diese Zahl hat, vielleicht auch von Hanser. Bei anderen Verlagen sieht das anders aus - oft sind Beteiligungen ab einer Auflagenhöhe vertraglich festgeschrieben, die ohnehin utopisch ist. Wenn überhaupt. […] Krüger ist nicht der einzige Verleger aus den Reihen der Literaturverlage, der derzeit auf die Barrikaden geht. „Es ist nicht so, daß irgendeiner von uns die Arbeit der Übersetzer geringschätzen würde”, sagt Krüger, „aber es geht nicht an, sich die erste Leistung wie ein Studienrat bezahlen zu lassen und dann obendrein eine Kreativbeilage zu fordern.” Och, wenn wir die erste Leistung wie ein Studienrat bezahlt bekämen, wären wir schon zufrieden. Dann bräuchten wir die Kreativbeilage nur noch, um unser Freiberuflertum abzusichern, Krankenversicherung, Rente, Verdienstausfall wegen Krankeit und Urlaub etc. Studienrat wär’ geil. Und ich fände es auch angemessen. Zumal längst nicht alle Übersetzungen in satzreifem Zustand den Verlag erreichten. „Eine schlechte Übersetzung kann man nur mit großer Mühe in eine halbgute verwandeln, aber wir haben noch nie Geld zurückverlangt”, sagt der Verleger. Gerade bei Hanser arbeiten richtig gute Kollegen. Die nehmen doch nicht jeden Deppen. Ich kann nicht glauben, dass dort so viel so Schlechtes abgegeben wird. Es folgen dann einige Zahlen aus dem Hanser-Verlag, die darauf hinauslaufen, dass ein Übersetzer eines Bestsellers (bei gesteigerter Umsatzbeteiligung) mal richtig ordentlich Geld verdienen könnte. Davon, dass nicht nur der Verlag, sondern auch der Übersetzer eine Mischkalkulation betreiben muss, um mit einem gelegentlichen Bestseller all die nicht so gut verkauften Bücher querzufinanzieren, ist nicht die Rede. „Wenn wir diese drei, vier Bestseller nicht haben, dann kann man's vergessen.” Jaja, wir auch. Nur Armut gebiert Großes? Das Bild, daß alle Übersetzer am Hungertuch nagten, ist sicher nicht zutreffend. Gute Übersetzer haben ihren Markt und ihre vielfältigen Verdienstmöglichkeiten; Gute Übersetzer „schlechter“ Literatur vielleicht. Die guten Übersetzer übersetzen aber oft die sehr schwierige Literatur und verdienen damit noch weniger. Zwar bekommen sie ein etwas höheres Seitenhonorar, aber auf den Zeitaufwand umgerechnet bleibt da nicht mehr viel von übrig. einige wenige (und nicht nur der Übersetzer von „Harry Potter”) sind zu einigem Wohlstand gelangt Gut, ich kenn jetzt keinen, aber das muss ja nichts heißen. Tät’ mich aber doch interessieren, ob sie nicht nur zufällig Übersetzer sind und ansonsten geerbt haben. Ich kenne tatsächlich zwei oder drei Kollegen, die versuchen, davon eine Familie zu ernähren. Wenn das schon als „einiger Wohlstand“ gilt, okay. denn bei sechsstelligen Auflagen sind auch Beteiligungen von einem halben Prozent lukrativ. Nun, das haben wir ja weiter oben gerade gelesen, wie viele Bücher sechsstellige Auflagen schaffen. Wenn ich richtig mitgezählt habe, war das bei Hanser im vergangenen Jahr genau eine Übersetzung. Besonders erbost es deshalb den Hanser-Verleger, wenn gutsituierte Leuchttürme der Branche als Unkenrufer durchs Land zögen und verbreiteten, sie arbeiteten drei Tage an einer Seite und bekämen dafür achtzehn Euro. Jetzt wüsst ich doch gern, wer dieser gutsituierte Leuchtturm war. Drei Tage an einer Seite kann eigentlich nur Lyrik sein. Ansonsten halte ich das für eine Übertreibung von Herrn Krüger und nicht für eine ernstgemeinte Aussage eines Übersetzers. Aber Appelle scheinen nicht mehr zu fruchten. Witzbolde, wie lange haben sich die Übersetzer um Verhandlungen bemüht, und Ihr habt Euch entzogen? Dann jammert jetzt nicht. Also ehrlich. Eine Machtprobe steht bevor: Die Frage nach „Redlichkeit” und „Angemessenheit” wird bis vor den Bundesgerichtshof kommen - und diese Lösung erscheint wenig sinnvoll. Michael Krüger: „Einen Proust-Übersetzer und einen, der bei Ullstein Krimis übersetzt, über den gleichen Kamm von Verdi zu scheren - bei dieser Vorstellung wird man geradezu verrückt.”[…] Äh, wieso das? Wollen wir lieber für jedes Buch einzeln vor Gericht gehen, statt endlich mal verbindliche Vergütungsregeln festzulegen? Die sollen ja durchaus einen Spielraum zwischen Proust und Krimi enthalten. Ich will mich gar nicht persönlich beschweren. Ich werde im Vergleich zu vielen Kollegen relativ anständig bezahlt und mag meine Ansprechpartnerinnen in "meinem" Verlag, ich fühle mich dort gut aufgehoben - auch wenn mir an den Verträgen so einiges überhaupt nicht passt.
kleinesf,
11.01.06, 14:31
Vielleicht taktisch suboptimal, diese Meinungsmache weiter zu verbreiten. Ansonsten gilt das oben Gesagte wohl für nahezu jeden Zeitungsartikel - Objektives habe ich schon seit Jahren nicht mehr gelesen, schon gar nimmer in der FAZ. ... Link
anselm buehling,
11.01.06, 22:12
Warum taktisch suboptimal?
Dasselbe könnte man dann ja auch über 'Bildblog' sagen. Nein, es ist schon wichtig, solchen abstrusen Konstrukten entgegenzutreten - zumal, wenn man das, wie hier, mit wenigen trockenen Sätzen und Zwischenfragen tun kann. Natürlich liegt ein Teil des Elends daran, dass sich mit Literatur - mit guter zumal - überhaupt nur sehr begrenzt Geld verdienen lässt. Damit könnte man offen und fair umgehen. Aber die in diesem Artikel und anderswo lancierten Behauptungen zeigen, dass viele - leider auch renommierte Verlage und Persönlichkeiten - das nicht im geringsten beabsichtigen und es offenbar nicht mal nötig haben, ernsthaft für ihre Position zu argumentieren. Autoren schreiben auf eigenes Risiko und Übersetzer haben ein Vertrag? Ja, wo leben wir denn - haben die Verlage die Autorenverträge jetzt auch schon abgeschafft? Und die Kompetenz von Proust-Übersetzern möchte Herr Krüger finanziell gewürdigt wissen? Großartig! Die Kollegen, die Krimis oder Gebrauchstexte übersetzen, weil sie sich das Übersetzen besserer Texte finanziell nicht leisten können - und die damit den Verlagen helfen, Geld für Querfinanzierungen zu verdienen - werden begeistert sein, dass sie in Zukunft auch mal einen anspruchsvolleren Text zwischenschieben können. Zu einem entsprechend höheren Seitenpreis, mit mehr Zeit und einem fachkundigen Lektorat. Denn so war das ja sicherlich gemeint, oder? ... Link
isabo,
11.01.06, 22:56
Ja, so war das sicher gemeint, seufz. Zweitens gibt es auch gute Übersetzer, die leichtere Literatur gar nicht so gut übersetzen können, weil sie beispielsweise Probleme mit wörtlicher Rede haben. Da wird leichte Literatur dann plötzlich doch schwierig. Oder wenn Dialekt gesprochen wird, Jugendsprache, wenn es um ein bestimmtes Milieu geht, etc. Und Autorenverträge gibt es durchaus, darin steht unter anderem sowas: "Richtwert für den Normalfall ist ein Honorar von 10 Prozent für jedes verkaufte, bezahlte und nicht remittierte Exemplar bezogen auf den um die darin enthaltene Mehrwertsteuer verminderten Ladenverkaufspreis (Nettoladenverkaufspreis)." "Bei vom Verlag selbst veranstalteten Taschenbuchausgaben sind in der Regel Von den Nebenrechten erhält der Autor 50 bzw 60%, den Übersetzern haben die Gerichte zuletzt meist 25% zugesprochen. Bisher bekommt man meist gar nichts oder ein Butterbrot. Davon, dass die Übersetzer den Autoren gleichgestellt werden wollten, kann also keine Rede sein. Ein wichtiger Unterschied ist allerdings, dass wir erstmal ein Honorar haben wollen, bei den Autoren heißt das Vorschuss - und auch bei uns wird das Honorar dann oft mit den Beteiligungen (wenn es denn welche gibt) verrechnet. Ist also nur in sofern ein Unterschied, dass wir das Honorar auf jeden Fall bekommen, auch wenn schließlich kein einziges Exemplar verkauft wird. Keine Ahnung, wie das bei den Autoren ist. Ach, es ist alles so mühsam. ... Link |
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Kommentare
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
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