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Montag, 13. Februar 2006
Recherchieren?

"Wieso musst Du denn recherchieren, steht doch alles schon da!" (Manche meinen das ernst.)

Meine Protagonistin erinnert sich daran, wie es war, als sie damals in der Nachrichtenredaktion eines Fernsehsenders gearbeitet hat. Ihre Sendung lief Mittwochs abends um 22.00 Uhr:
"Luckily for us, the East and West Berliners chipped away at bits of the ninety-mile-long Berlin Wall on a Wednesday night at 10 p.m. Eastern Time. That meant we covered it live for an hour."

Tolle Wurst. Um 10 p.m. Eastern Time war es hier vier Uhr nachts. Da wurde wahrscheinlich immer noch an der Mauer rumgehackt, aber losgegangen ist es eher gegen 23.00 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. Am Grenzübergang Bornholmer Straße wurden um 23.30 die Kontrollen eingestellt. Gut, da wollen wir mal nicht pingelig sein mit der Uhrzeit, das können wir stehen lassen, es wird um vier Uhr nachts immer noch genug zu berichten gegeben haben, ist auch egal. Aber: der 9.11.89 war ein Donnerstag.
Das nervt und hält unnötig auf, und jetzt muss ich entscheiden, ob ich im gesamten Buch einfach die Sendung auf Donnerstags verlegen kann.

Wieso ich recherchieren muss? Noch Fragen? Muss ich halt, selbst wenn ich dem Autor vertraue. Und selbst wenn man es der Übersetzung hinterher nicht unbedingt anmerkt. Ich muss die Details wissen und verstanden haben. Das wiederum nervt eigentlich nicht, sondern macht Spaß.

Interessant. Darf man solche Fehler verbessern?

Ich habe kürzlich das neue Buch von Ôe Kenzaburo gelesen (Tagame -- Berlin-Tokyo), wo solche Sachen wie "das Sonntagsmagazin der Süddeutschen Zeitung" drin vorkamen, die mich ziemlich genervt haben. (Dem japanischen Leser aber vermutlich egal sind.)

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Ich finde, man muss solche Fehler verbessern - vorausgesetzt, es handelt sich um wirkliche Fehler, die dem Autor unterlaufen sind, und nicht um ein Stilmittel. Das abzuschätzen liegt wohl beim Übersetzer.

Zu Ende gedacht kommt man zu der Frage, ob man grundsätzlich möglichst "adäquat" übersetzen sollte - das heißt, ob man beispielsweise ein schlecht geschriebenes Original auch in schlechtes Deutsch übersetzen sollte, bzw. wie in diesem Fall die sachlichen Fehler beibehalten, oder ob man sich lieber bemüht, Stroh zu Gold zu spinnen. Ich versuche immer eher Letzteres.

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Was passiert, wenn Übersetzerin nicht recherchiert, ist ganz leicht an übersetzten Kochbüchern zu sehen. Wenn ich da zum Beispiel zwei Esslöffel Backöl Vanille in den Quark geben soll, weil Übersetzerin vermutlich noch nie "vanilla essence" gesehen, geschweige denn verwendet hat. Oder, mein Lieblingsbeispiel, wenn Eierstich zum warmen Schokoladenkuchen gereicht werden soll ("custard").

Oh ja, das macht Spaß!

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Ja, das ist Mist bei Kochbüchern, wenn es Zutaten hier gar nicht gibt. Ich habe mal ein Backbuch übersetzt, in dem dauernd Mincemeat verwendet wurde. Super Sache, man fragt sich, ob Kochbücher nicht auch lokalisiert werden müssten, übersetzen reicht da nicht.

Eierstich ist niedlich, aber wie um alles in der Welt kommt man von Custard auf Eierstich? Meine Wörterbücher sagen alle "sowas wie Vanillesoße oder Vanillepudding", sogar der Duden kennt Custard.

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hm. ich kann mich dunkel an meinen englischen englischlehrer erinnern, der ständig über amerikanische umgangssprache geschimpft hat. darunter meine ich, war auch der umstand, daß seine englische seele darob litt, daß für den ami im umgangssprachgebrauch die nacht eines tages vom sonnenuntergang bis sonnenaufgang geht, egal, ob dazwischen eigentlich der tag wechselt.
sprich: die mittwochnacht geht bis donnerstag morgen, die donnerstagnacht ist dann die zwischen donnerstag und freitag und so fort....

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Das mag sein - die Mauer ist aber in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gefallen, und die Sendung meiner Protagonistin lief am Mittwoch um 22.00 Uhr Ostküstenzeit, vier Uhr nachts hier bei uns am Donnerstag früh. Da konnte sie auch mit Zeitverschiebung und Jetlag und Umgangssprache nicht senden, was Donnerstag Abend passieren würde. Nee, da ist nicht dran zu rütteln, dass das nicht zusammenpasst. Aber danke fürs Mitdenken.

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Und die ninety miles haben Dich nicht gestört?

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Nö. Wenn man nicht nur die Mauer innerhalb der Stadt nimmt, sondern die Mauerteile im Berliner Umland mitrechnet, kommt das ungefähr hin. (Kommt anscheinend auch ein bisschen drauf an, was man als "Mauer" zählt.)

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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