Donnerstag, 16. März 2006
Grundsätzliches
isabo,
15:40
Die deutsche Sprache funktioniert ja unter anderem so, dass wir neue Wörter bilden können, indem wir bestehende Wörter zusammenfügen, also aus zwei Wörtern oder Wortteilen eins machen. Zum Beispiel das Wort Wortbildungslehre, so nennt sich der linguistische Zweig, der sich (unter anderem) damit beschäftigt. Geht aber nicht nur mit Substantiven, sondern auch mit anderen - weiß nicht, wahrscheinlich mit fast allen Wortarten: supercool, weglaufen, oder die Überschrift (!) Grundsätzliches, da finden gleich mehrere Wortbildungsphänomene (!) in einem Wort statt.
isabo,
17.03.06, 12:40
Hm. ... Link
mutant,
17.03.06, 12:48
grundsaetzliches passt nicht so ganz in die reihe, oder? grundsaetzlich steht doch im duden, das daraus grundsaetzlich-es wird, folgt ja anderen regeln als dem schlichten zusammmensetzen, super-cool (steht cool im duden?). ... Link
isabo,
17.03.06, 13:23
Nee, Grundsätzliches passt nicht in die Reihe, ich wollte nur illustrieren, worum es im Fachbereich Wortbildung geht. (Bei Grundsätzliches passiert viel mehr als nur Zusammensetzung: Satz + Grund -> Grundsatz -> Konversion zum Adjektiv durch Anhängen von -lich -> wieder Konversion zum Substantiv durch -es. Ich bin aber keine Linguistin.) Zusammensetzung von Wörtern ist nur eine Möglichkeit der Wortbildung. Super- als Vorsilbe, stimmt, das steht einzeln im Duden. Cool auch. Was ich meinte: Zusammensetzungen funktionieren, auch wenn sie nicht in dieser Zusammensetzung im Wörterbuch stehen. Manche Zusammensetzungen stehen aber drin, und einige davon darf man jetzt nicht mehr zusammenschreiben, obwohl sie nach den Wortbildungsregeln zusammengeschrieben werden müssten. (In Wirklichkeit suche ich ja nur einen Grund, doch zusammenschreiben zu dürfen, was zusammengehört.) ... Link
blue sky,
17.03.06, 13:41
Kurzfassung: Ein struktureller Prozess wie Wortbildung kann überhaupt nicht von einer Oberflächendarstellung wie der Rechtschreibung beeinträchtigt werden. Langfassung: Das Grundproblem dürfte sein, dass der Begriff "Wort" (wie die grundlegenden Begriffe aller Wissenschaften) nicht scharf definiert ist. Ein "Wort" ist eben nur meistens deckungsgleich mit der graphischen Einheit aufeinanderfolgender Buchstaben ohne Leerzeichen. Nehmen wir dein Beispiel "kennenlernen" - das ist sowohl orthographisch als auch auf der Ebene der Lexeme sicher ein Wort, denn es beschreibt ein eigenes begriffliches Konzept. Aber im grammatischen Kontext wird es auf mehrere graphische Wörter (nicht: "Worte"!) verteilt: "Ich lerne kennen", "du lernst kennen". Wie stark ein neuer, zusammengesetzter Begriff schon idiomatisiert ist, d. h. zu einer neuen Sinneinheit verschweißt, die über die ursprünglichen Bestandteile hinausgeht, ist fließend. Und die Rechtschreibung liefert dazu höchstens ein Indiz, muss sie aber nicht. (Und gerade an dieser Stelle wurde in den alten Vorschlägen der RSR aber auch reichlich Unfug getrieben, siehe "alleinstehend" vs. "allein stehend".) Wesentlich einfacher ist das bei der Suffix-Wortbildung ("Grundsatz" > "grundsätzlich" > "Grundsätzliches"), denn die Suffixe können im deutschen sowieso nicht graphisch alleine stehen. Ebenso einfach sind Komposita aus Substantiven oder Substantiven und Adjektiven, die kann man in jedem Moment neu zusammenkleben. (Hier ist eher der entgegengesetzte und orthographisch falsche Trend zu sehen, Leerzeichen zu setzen, wo keine hingehören: "Einrichtungs Haus"). Nur die Zusammensetzungen mit Verb oder Partizip sind die Grauzone, wo sich Sinneinheit und graphische Oberfläche nicht immer decken und wo daher keine Regel so richtig greifen will. Wortbildung selbst ist davon nicht betroffen, die findet im Kopf statt. ... Link
isabo,
17.03.06, 17:22
Kurzfassung: Ja, hihi, schon klar. Langfassung: Stimmt, die Frage, was ein Wort ist, ist sicher ein Problem. Aber meine Frage hat eigentlich nicht viel mit dem Sonderfall der trennbaren Verben zu tun; dass kennenkernen trennbar ist (ich lerne kennen) heißt ja nicht, dass kennenlernen im Infinitiv nicht ein Wort wäre. Vielleicht sollte ich erst mal die Regeln für die Zusammensetzungen mit Verben und Partizipien lesen, bevor ich hier rumtröte. Aber die Frage bleibt: darf ich als Sprachanwenderin (schriftlich) nur dann Wortzusammensetzung betreiben, wenn die Zusammensetzung zufällig nicht im Duden steht? Und wenn sie als getrennt-zu-schreiben drinsteht, darf ich keine Wortbildung mehr vornehmen? ... Link
therealstief,
18.03.06, 00:55
@isa: Neuer Mundwurm, ich kann gar nicht mehr aufhören, "Wortbildungslehre" vor mich hinzuraunen. @blue sky: Ihre Kurzfassung lässt vermuten, daß selbst elementarste Zusammenhänge der Quantenwortbildungslehre Ihren blau(äugig?)en Horizont übersteigen: Im und nur im rechten Schreibprozeß bildet sich der scharfe Begriff! Von den Konsequenzen der Isaboschen Wort-Schreibungs-Unschärfebeziehung einmal ganz zu schweigen. @Ernst: Herzlichen Dank Euch beiden für den Blick unter die linguistische Motorhaube. Mehr davon! Um im Bild zu bleiben: Gibt es für Laien wie mich eine sprachwissenschaftliche "Jetzt helfe ich mir selbst"-Reihe? Getz ersma so Wortbildungslehre, näxte Woche geh ich dann ma bei meine ausgeleiertem Metaphern bei. ... Link
blue sky,
20.03.06, 11:39
Das meinen Sie nicht ernst, realstief. "Schärfen des Begriffs im rechten Schreibprozess", das ist bildungsbürgerlicher Schmarrn. Hier ging es um Wortbildungsmöglichkeiten in der deutschen Sprache, die unabhängig vom Bildungsstand einzelner Sprecher existieren und z. B. auch schon von 6jährigen Nichtschreibenden beherrscht werden. @isabo: Touché, alle Theorie ist grau und bei konkreten Rechtschreibfragen hilft sie nicht weiter. Mir ging es darum, dass Getrennt- und Zusammenschreibung nur lose die Wortbildung selbst spiegeln (die schon vor der Verschriftlichung stattfindet). Nach wie vor meine ich, dass Wortbildungsregeln sich nicht über die schriftliche Darstellung definieren, sondern generelle Prinzipien sind. Was sich in der Lautsprache z. B. in unterschiedlicher Betonung der Wortbestandteile äußert, je nachdem, ob sie zusammengehören oder nicht. (note to self: vor weiteren Traktaten erst mal neue Rechtschreibregeln lesen) ... Link
isabo,
20.03.06, 13:02
Ja, genau das meine ich ja auch. Und folglich: dass der deutsche Rechtschreibrat das möglicherweise nicht bedacht hat, und dass er gar nicht vorschreiben kann, bestimmte Wörter getrennt zu schreiben. Weil man sie nach den Wortbildungsregeln zusammenschreiben kann, und die Wortbildungsregeln kann man nicht ändern. (Note to self: ja, genau, erstmal die Regeln nochmal angucken, bevor ich hier solche Ungeheuerlichkeiten behaupte. Denn es kann ja wohl bitte nicht sein, dass der Rechtschreibrat so etwas Fundamentales einfach übersehen hat.) ... Link |
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Kommentare
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
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