Samstag, 25. März 2006
Wie ich arbeite
isabo,
14:35
Immer wieder werde ich gefragt, wie ich eigentlich arbeite, wie ich vorgehe, wenn ich ein ganzes Buch vor mir habe. Diese Frage beschäftigt mich auch selbst, weil ich mir gelegentlich überlege, ob und wie und wenn ja: warum ich es anders machen könnte. Phase 1: Sofa, Bett, Badewanne Phase 3: Die Textor-Phase Phase 4: Die Wahrheit Phase 5: Aufräumarbeiten, Loslassen Dass ich erstmal so schnell durch ein Buch rausche, hat zwei Gründe: zum einen glaube ich, dass ich, wenn ich schnell arbeite, besser in den richtigen Ton hineinfinde, als wenn ich mich sofort mit den Details aufhalten würde; weil, siehe oben, ich dann eher einen Text wahrnehme als nur Sätze oder Wörter. Zum anderen komme ich gefühlsmäßig schneller voran. Wenn ich gleich ins Reine übersetzen würde, wäre das Endergebnis zwar vielleicht in der gleichen Zeit fertig, aber ich bin langsamer vorangeschritten, habe weniger Seiten pro Tag geschafft. Es gibt Kollegen, die sofort ins Reine übersetzen, oder ins „fast Reine“. Vielleicht sind das vor allem die, die noch auf der Schreibmaschine angefangen haben, da ging es ja fast nicht anders. Dann gibt es welche, die morgens erstmal das überarbeiten, was sie am Vortag übersetzt haben, und dann weitermachen. Klingt auch nicht schlecht, eigentlich, aber ich habe mich nie dazu durchringen können. Ich will immer erstmal weitermachen, erstmal vorankommen. Deswegen kann ich die Frage, wie viele Seiten ich am Tag schaffe, auch gar nicht recht beantworten: ich kann manchmal (wenn’s pressiert) schon zwanzig Seiten am Tag übersetzen. Aber das ist eine Rohübersetzung, sie ist nicht fertig, längst nicht. Und niemand darf sie sehen, da stehen manchmal schlimme Sachen drin. Von einer Kollegin weiß ich, dass sie nicht vorne anfängt, sondern irgendwo in der Mitte – wo sie gerade einen guten Einstieg findet. Weil sie sagt, man braucht ein bisschen Anlauf, um den Ton zu finden. Der Autor hat diesen Anlauf womöglich auch gebraucht, und zwar wahrscheinlich am Anfang des Buchs; wenn der Übersetzer dann auch noch nicht richtig „drin“ ist, summiert es sich, und der Anfang wirkt schlimmstenfalls unbeholfen. Also fängt sie in der Mitte an, und wenn sie das Gefühl hat, sie weiß jetzt, wie es läuft, übersetzt sie von vorne. Wenn sie dann an die Stelle kommt, mit der sie begonnen hat, überarbeitet sie sie gleich und macht dann mit dem Ende weiter. Ich habe mir immer vorgenommen, diese Methode mal auszuprobieren, habe es aber doch nie gemacht. Ach ja, ganz wichtig: vorher Zeitplan aufstellen. Ich bin so veranlagt, dass ich ihn eh nicht einhalte, aber immerhin weiß ich dann, wie viel ich hinterherhinke und wie schlimm es schon ist.
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Last modified: 06.06.24, 10:52 Status
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Kommentare
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
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