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Samstag, 20. Mai 2006
Aus der Übersetzerwerkstatt

(Auf besonderen Wunsch.)

Der erste Satz meines aktuellen Romans lautet:

The week following his bar mitzvah, in the spring of 1853, my great-grandfather, A. B. of C., got married.

Nahe liegende Übersetzung:

„In der Woche nach seiner Bar-Mizwa, im Frühjahr 1853, heiratete mein Urgroßvater, A. B. aus C.“

Aber: angenommen, der durchschnittliche Leser weiß, dass man bei der Bar-Mizwa 13 Jahre alt ist, weiß aber nicht, dass es damals durchaus üblich war, Jungen aus weniger begüterten Familien sehr früh zu verheiraten und zum Schwiegervater zu schicken, der ihnen eine Ausbildung ermöglichte, dann kommt das letzte Wort des Satzes, „got married“, überraschend. Und ich denke, das hat die Autorin auch beabsichtigt, würde es also gerne auch im Deutschen am Satzende stehen haben. Mögliche Lösungen:

a. Ins Perfekt ausweichen:
„In der Woche nach seiner Bar-Mizwa, im Frühjahr 1853, hat mein Urgroßvater, A. B. aus C., geheiratet.“
Ich habe nichts gegen das Perfekt zur rechten Zeit, aber hier ist nicht die rechte Zeit, nicht gleich im ersten Satz eines literarischen Romans, das wird mir zu umgangssprachlich.

b. „… feierte mein Urgroßvater, …, (seine) Hochzeit.“
Nur ist von einer Feier überhaupt keine Rede.

c. „Es war in der Woche nach seiner Bar-Mizwa, im Frühjahr 1853, dass mein Urgroßvater, A. B. aus C., heiratete.“
Bisschen umständlich. Auch ein bisschen märchenhaft („Es war einmal“), was eigentlich ganz hübsch ist und passen würde.
Aber bei allen drei Varianten klappert das letzte Wort so nach, es ist nicht schön, wenn am Ende des Satzes nur ein Wort hinter dem letzten Komma steht.

d. Im Moment bin ich bei
„In der Woche nach seiner Bar-Mizwa, im Frühjahr 1853, trat mein Urgroßvater, A. B. aus C., in den Stand der Ehe.“
Das tümelt ein bisschen, aber kann es auch ruhig, es passt in den Roman.

Das nächste Problem mit diesem Satz ist, dass er später noch einmal aufgegriffen wird; das siebte Kapitel beginnt so:
The year following his arrival in Jerusalem, in the winter of 1862, my great-grandfather got married a second time.

Und da ist mir „trat in den Stand der Ehe“ dann wieder ein bisschen zu umständlich. Es kommt auch hier nicht mehr überraschend - die Information, dass er heiratet, muss nicht mehr im letzten Wort stecken. Ich weiß noch nicht, wie ich die Parallelität der beiden Sätze beibehalten kann, ohne noch mal „trat in den Stand der Ehe“ zu nehmen.

Passiv?

Wenn er erst 13 war, kann ja von seinem Willen nicht wirklich die Rede sein.

In der Woche nach seiner Bar-Mizwa, im Frühjar 1853, wurde mein Großvater A.B. aus C. verheiratet.

und später dann aktiv:

In dem Jahr nach seiner Ankunft in Jerusalem, im Winter 1862, heiratete mein Großvater ein zweites mal.

Dann wäre zumindest der erste Teil noch parallel.

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Passiv: das hätte ich auch angenommen, schon wegen des Alters.

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Jo, hm, naja. Im Prinzip eine gute Idee, aber es steckt mir ein bisschen zu viel Interpretation darin. Außerdem erfahren wir gleich danach, dass er seine Frau in den Gepflogenheiten der Ehe unterweist, und sich bei seinem Schwiegervater darüber beschwert, dass sie nachts zum Schlafen zu ihren Schwestern geht. So fürchterlich gegen diese Hochzeit scheint er also nicht gewesen zu sein - aber so genau erfahren wir das nicht.

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.. und wie würde es denn ausschauen mit:
"Mein Urgroßvater, A. B. aus C., heiratete im Frühjahr 1853, in der Woche nach seiner Bar-Mizwa."
Wenn der Satz am Beginn des siebenten Kapitel wieder aufgegriffen wird, dann passt die wörtliche Übersetzung: "Im […] Winter 1862, heiratete mein Urgroßvater ein zweitesmal."
Was meinst du?

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Danke, das wäre natürlich auch eine Möglichkeit, den Überraschungseffekt zu retten. Aber insgesamt gefällt mir der Satz nicht so sehr - ich kriege noch nicht recht zu packen, warum nicht. Vielleicht liegt es einfach daran, dass er die enthaltenen Informationen in entgegesetzter Reihenfolge bringt als das Original.

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ich bin auch für die wörtliche /passive übersetzung.

grundsätzlich wird ja tatsächlich VER- und nicht GEheiratet. ohne zustimmung von wem auch immer geht da gar nix, nirgendwo.

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Mit dem Übersetzen von Sätzen ist das so eine eigene Sache. Wenn ich mich recht erinnere hatte ich vor etwa einem 3/4 Jahr in Ihrem Blog gelegentlich kommentiert und anlässlich eines dieser Kommentare etwas zu den Übersetzungstechniken & -einschätzungen von A. Schmidt, Joyce & Wollschläger geschrieben.
Über … setzen hat ja immer etwas mit dem Verbinden zweier getrennter, heterogener aber doch aufeinander bezogener Sprachbereiche zu tun. Es bleibt dabei nichts unverändert (keines der beiden Ufer zwischen denen der Übersetzer treidelt, sich hin & her bewegt, hin & her gezogen wird, bleibt unberührt) und genau darum ist die zu absolvierende Vermittlungsaufgabe zwischen den unterschiedenen Sprachen stets interpretatorisch. Das sehen Sie nicht zuletzt an dem Diskussionspotential (discurrere) des von Ihnen ins Netz gestellten Satzes.
Ich gehe hier einmal davon aus, dass Sie den Satz, diesen ersten Satz eines Romans, authentisch zitiert haben (auf den Schreibfehler werde ich zum Schluss kurz eingehen). "The week followig his bar mitzvah, in the spring of 1853, my great-grandfather, A. B. of C., got married." ... es wird zu lang. Wenn Sie wollen, lesen Sie's gleich in meinem Blog nach...http://www.bartleby17.blogspot.com/

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Danke, Tippfehler ist korrigiert.

Ich freue mich sehr, dass das Thema Übersetzen hier immer wieder auf so viel Interesse stößt, deswegen komme ich auch gelegentlich gerne dem Kundenwunsch nach, mir bei der Arbeit über die Schulter gucken zu dürfen. Das geht aber nur exemplarisch anhand einzelner Sätze - und ja, das ist problematisch, weil ich nicht Sätze übersetze, sondern Texte. Daher erkläre ich meist ein wenig Kontext dazu und - in diesem Fall - dass es nicht zu umgangssprachlich sein soll, dass es ruhig ein bisschen tümeln darf etc.

Selbstverständlich ist jede literarische Übersetzung eine Interpretation. Die Passivkonstruktion ist mir hier aber zu sehr interpretiert, darin wäre plötzlich eine Information enthalten, die im Original nicht steht, und ich möchte sie daher vermeiden.
Übrigens bin ich mit "trat in den Stand der Ehe" ganz zufrieden; es war diesmal gar keine Bitte um Hilfe, sondern sollte ein Einblick in das sein, was einem als Übersetzer so alles durch den Kopf geht.

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Übersetzung

Variante C ist sprachlich einfach nur grauenhaft. Das wäre uns noch nicht mal in der Mittelstufe durchgegangen. *Schüttel*

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Kommentare
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Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
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mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
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croco, vor 14 Jahren
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don papp, vor 14 Jahren
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isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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