Sonntag, 10. Dezember 2006
Vom Ansehen der Übersetzer 2
isabo,
18:35
Gestern auf einer Party, der Gastgeber stellt mich nacheinander mehreren Leuten vor als „das ist Isa, sie hat den Hamburger Übersetzerpreis bekommen“, es ist mir ein bisschen peinlich, andererseits rührt es mich, dass er es so hochhängt. Die Reaktion ist durch die Bank so was wie „hä?“, was für ein Preis soll das denn sein, wieso kriege ich den, was habe ich denn übersetzt, mache ich sowas öfter, und ist der Preis jetzt dafür, dass ich alles richtig übersetzt habe oder wie, und wieso gibt’s denn für so was Preise? Ich lege meine alte Platte auf, erkläre, dass Übersetzen nicht nur Vokabeln nachschlagen ist; Stilebenen, Ton, Rhythmus, blabla, Ihr kennt das, aber ich werde nicht recht verstanden. Dann müsse ich ja ziemlich gut Englisch können, wieder versuche ich, mich verständlich zu machen, klar muss ich Englisch können, aber das Schwierigere ist, Deutsch zu können, wieder Unverständnis. Wir driften ab, ich erzähle, dass ich meist lustige Frauenbücher übersetze und dass sie mir zum Hals raushängen und dass das keineswegs unbedingt einfacher zu übersetzen ist als anspruchsvollere Literatur, ich schimpfe ein bisschen über den schlechten Stil mancher dieser Bücher, und dann kommt, was immer kommt: ob ich so was denn nicht auch selbst schreiben könnte. Ja, verdammt, könnte ich, nein, verdammt, könnte ich nicht, denn erstens kann ich mir keine Geschichte ausdenken, zweitens will ich so was ja gar nicht schreiben, ich will nicht „… fügte er hinzu“ schreiben und „es war, als hätte jemand ein Licht in mir angeknipst“, und ich weiß auch nicht, wieso ich das wollen sollte.
affectionista,
10.12.06, 20:39
ein bisschen klingt das so wie bei mir: "drehbuchlektorin? dann besserst du also die rechtschreibfehler in drehbüchern aus?", dicht gefolgt von: "film- und fernsehdramaturgin? dann schreibst du also drehbücher?" (hölle, hölle, hölle.) ... Link
isabo,
10.12.06, 23:01
Ja, ha, kenne ich, Lektorat ist gleich Rechtschreibfehler korrigieren. Aber es kann ja auch nicht jeder wissen, was man in welchem Beruf genau macht - wenn mir jemand sagt, er arbeitet beispielweise in der "strategischen Unternehmensplanung", habe ich auch keine Ahnung, was er den ganzen Tag tut. ... Link
pollymere,
10.12.06, 22:53
das ist in etwa so, als wolle man jemandem, der taub ist, musik erklären. seufz. die meisten menschen sind leider völlig tumb, was sprache anbelangt. vielleicht wäre es einfacher, sich für diese frage eine (selbst)ironische standardantwort zu überlegen? :-) ... Link
isabo,
10.12.06, 23:06
Ach nein, ich bemühe mich dann doch immer, und man kann ganz viel auch an sehr einfachen Beispielen erklären. Ganz doof sind die Leute ja auch nicht (Ausnahmen bestätigen die Regel); ich werde dann eher missionarisch als schnippisch, dann haben sie halt Pech und müssen eine längere Abhandlung über sich ergehen lassen. Hihi. ... Link
kid37,
11.12.06, 17:56
Das geht doch immer so: Sie schreiben Bücher? Wieso kaufen Sie sich nicht einfach eins? ... Link
goncourt,
11.12.06, 22:13
Man kann das Übersetzen gar nicht genug würdigen. Glückwunsch nochmal zum Übersetzerpreis. ... Link
goncourt,
11.12.06, 22:16
P.S. - lustig fand ich das jetzt mit den "Frauenbüchern" - ist das so eine spezifische Sache, "Das ist ein Frauenbuch, da kommt ein männlicher Übersetzer gar nicht infrage"? ... Link
isabo,
11.12.06, 22:43
Danke! Aber insgesamt ist das natürlich eine sehr interessante Frage, zu der ich mir immer noch keine rechte Meinung gebildet habe - ob man männliche Autoren eher von männlichen Kollegen übersetzen lassen solle und Frauen von Frauen. Was schwierig werden dürfte, denn es gibt, glaube ich, mehr Autoren als -innen und mehr Übersetzerinnen als Übersetzer. Oder ob ein guter Übersetzer nicht beides können sollte. Keine Ahnung. Ich würde ein solches Buch wahrscheinlich auch eher einer Frau anbieten, ebenso gibt es Bücher, die ich eher Männern geben würde, und genauso welche, bei denen ich es für egal halte. Aber ich könnte nicht definieren, warum, reine Gefühlssache. Andererseits hätte ich selbst auch keine Angst vor einem sehr "männlichen" Buch. ... Link
goncourt,
11.12.06, 23:18
Ich habe gerade überlegt, dass es wahrscheinlicher ist, dass eine Frau einen Mann übersetzt, als umgekehrt. Vielleicht weil ganz allgemein, unausgesprochen, immer noch "männliches" und "weibliches" Schreiben voneinander unterschieden werden (bzw. "Schreiben" und "weibliches Schreiben"). Wäre z.B. interessant, das z.B. an Ingeborg Bachmann festzumachen, die ihrerseits ja selbst übersetzt hat, aber - wette ich jetzt mal - mit Sicherheit von mehr Frauen als Männern übersetzt wurde. (Oder, um etwas aus der Krimi-Literatur zu nehmen: z.B. Donna Leon, was insofern interessant wäre, als sie ja einen Mann als Protagonisten hat). Vielleicht täusche ich mich auch. ... Link
isabo,
11.12.06, 23:42
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau irgendwas übersetzt, ist sowieso höher, denn erstens wird es seit jeher schlecht bezahlt, zweitens gelten Frauen immer noch als sprachbegabter als Männer. ... Link
percanta,
14.12.06, 23:03
Ü
Gratuliere zum Preis!! ... Link |
Online for 8206 days
Last modified: 06.06.24, 10:52 Status
Sie sind nicht angemeldet
... Anmelden
Main Menu
... Antville.org
Suche
Calendar
Kommentare
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
|