Mittwoch, 20. Dezember 2006
Freiheit
isabo,
17:01
"Darf man das, als Übersetzer?" In meinem Buch ist jedem Kapitel ein Rezept vorangestellt, das mit dem Inhalt des Kapitels zu tun hat. Meine Heldin hat sich grandios daneben benommen, ihr Mann ist zu Recht sauer und spricht eine Weile nicht mit ihr. Als letzte Lösung backt sie schließlich Humble Pie. "Humble" bedeutet "bescheiden, unterwürfig, demütig" und sowas, es kommt allerdings von den "nombles" oder "umbles", den Innereien, die die einfachen Hausangestellten zu essen bekamen, wenn der Hausherr leckeres Wildbret aß. Heute ist "to eat humble pie" eine Redewendung, und die lässt sich wohl nur ins Deutsche transportieren, indem ich das Rezept komplett streiche und durch ein Rezept für sehr kleine Brötchen ersetze. Dafür muss ich auch im Kapitel bei ein paar Szenen ein bisschen eingreifen. Ich tu's jetzt einfach und bin gespannt, was die Lektorin dazu sagt.
percanta,
20.12.06, 18:11
Ein Rezept für ganz kleine Brötchen ist auf jeden Fall sympathisch. Wird das mit ganz wenig Mehl gemacht? ... Link
mutant,
20.12.06, 18:12
ist das eine goldie bear geschichte? ... Link
bettina.w,
20.12.06, 21:16
Und wenn wir jetzt alle ganz schnell Rezepte für "Büßerbrot" ins Netz stellen? Dann wäre das doch belegt und würde auch gut passen. ... Link
g a g a,
20.12.06, 21:21
oh là là. es geht also wohl um mehr als nur einen profanen 'versöhnungskuchen', wie deutsche romantikliebhaber die entschuldigungsmahlzeit gerne titulieren, hm? plakativ materialisierte bescheidenheit oder demut. arme ritter fallen mir da auch noch ein. wobei: schon grenzwertig, das gleich auszutauschen, ohne "anm. d. übers." als fußnote anzubieten. als leserin würde ich das humble pie-rezept lesen wollen, allerdings auch nur dann, wenn die rezepte einen echten themenschwerpunkt darstellen, es also eine andere form von irgendwie-auch-kochbuch sein soll. wenn es aber nur geplänkel ist und häkelborte innerhalb leichter kost, kann man schon etwas hierzulande gängiges servieren. ich nehme an, letzteres ist der fall. ... Link
therealstief,
21.12.06, 00:03
Genial einfache Idee. Mir fiele höchstens etwas um drei Ecken - so à la Kratzfuß-Pastete (Hauptzutat Füße von Mistkratzern aka Freilandhühnern) - ein. Angestrengt eng am Original. Übersetzen ist eben doch kein gentlemen's hobby. ... Link
isabo,
21.12.06, 00:22
Danke, Bettina, was für ein nettes Angebot! Und Stief: mit solchen Ideen habe ich auch rumgehampelt. Aber das ist halt Gehampel. ... Link
therealstief,
21.12.06, 00:47
"Broutschen" und England, grins, was war mein lab pal Andrew froh, als er von Göttingen nach München umziehen durfte. ... Link
isabo,
21.12.06, 01:00
Da hätte ich gern gehört, wie er das Wort sagen musste, über das ich in München einst stolperte: Fleischpflanzerlsemmel. Aber ich konnte ja nicht gut, wenn eine Fleischpflanzerlsemmel auf der Karte steht, ein Frikadellenbrötchen bestellen, was mir natürlich unfallfrei über die Lippen gekommen wäre. Fleischpflanzerlsemmel. Ich habe kurz überlegt, einfach etwas anderes zu nehmen, aber ich wollte nun mal ein Frikadellenbrötchen. Fleischpflanzerlsemmel. ... Link
zeichensatz,
22.12.06, 07:35
Fleischpflanzerlsemmel? Frikadellenbrötchen? Fleischküachleweggle! ... Link
mittagesser,
23.12.06, 10:58
Nö, darf man nicht. Autoren ein völlig anderes Rezept reinschreiben, weil sich die Überschrift nicht gut in den deutschen Text integrieren lässt? Da würde ich als Autor aber meiner Übersetzerin was erzählen, auch wenn mein Rezept nicht doll ist und meine Idee mit dem Rezept vornedran es auch nicht ist, aber ich habe mir nun mal was dabei gedacht im Original: „Rezept bleibt, von mir aus mit einer nicht ganz so dollen Überschrift. Wie wäre es etwa mit: Bauchzeig-Pastete?” (Sie wissen schon, der Hundebrauch mit dem Rückenrollen und Bauchzeigen. Haut auch mit Innereien zu tun.) Ausnahme: Die Übersetzerin macht mit einem neuen Rezept intelligent und kongenial meinen neuen Lesern in der neuen Sprache meine Idee klar. Was vielleicht ein bisschen viel ist so kurz vorm Abgabetermin um Weihnachten. Also: Arbeit sparen, Ärger sparen. ... Link
isabo,
23.12.06, 11:31
Genau, die Autorin hat sich etwas dabei gedacht: nämlich, dass sie die Heldin ein Gericht kochen lässt, anhand dessen ihr Mann erkennt, dass sie zu Kreuze kriecht. Ohne dass sie es sagen müsste. (Das hat sie schon versucht, er hört aber nicht zu.) Dafür benutzt die Autorin eine fest etablierte Redewendung mit einem besonderen Gericht, und genau das tue ich auch. Nur ist es eben im Deutschen ein anderes Gericht. Im Sinne der sogenannten Wirkungsäquivalenz (Übersetzer-Zauberwort) bin ich mit kleinen Brötchen also näher am Original als mit einer selbstausgedachten Büßerpastete, denn da denkt die deutsche Leserin erstmal "Hä?" statt "Klar". ... Link
mittagesser,
23.12.06, 18:32
Gut, ich relativiere: Bei mir dürfte es erst mal nicht sein. Aber bei Kochbüchern ist das auch was anderes. Und wie Sie selbst schon sagen, in dem Buch oben geht es wohl mehr um die Wirkung als ums Rezept selbst. Dann schmecken Ihre kleinen Brötchen vielleicht sogar besser als ein bei den Haaren herbeigezogener Humble Pie? Aber ist es dann noch wirkungsäquivalent? jetzt werde ich langsam neugierig. ... Link |
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Last modified: 06.06.24, 10:52 Status
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Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
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