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Mittwoch, 10. Januar 2007
A.

Vor zwei Jahren ging es ihr erstaunlich gut. Letzte Woche habe ich sie besucht. Sie liegt nur noch im Bett, wird gar nicht mehr angezogen und in den Sessel gesetzt. Ich glaube, sie schlief, als ich hereinkam, ich habe sie geweckt.
Sie schaut mich an, ich weiß nicht, ob sie weiß, wer ich bin, keine Regung in ihrem Gesicht, nur ihre Augen halten mich fest. Ich muss irgendwas sagen, was soll ich sagen, ich weiß ja nicht mal, ob sie mich erkennt. Ob sie geschlafen hat, frage ich, sie sagt, sie weiß es nicht. Ihr fallen die Augen zu, ich frage, ob sie müde ist, ob ich sie lieber schlafen lassen soll; ja, sagt sie, und: ich weiß ja gar nicht, was du hier willst. Dich besuchen, sage ich, ich freu mich doch, dich zu sehen und möchte wissen, wie es dir geht. Ich weiß nicht, sagt sie. Sie haben ihr nicht mal das Gebiss reingetan, sie hat nur noch unten zwei Goldzähne. Ich plappere irgendwas, erzähle dies und das von meinen Geschwistern und mir, ich weiß nicht, wie viel sie mitbekommt, ob sie mich versteht, ob ich zu ihr durchdringe. Nur ihre Augen halten mich fest. Eine Viertelstunde, hatten meine Eltern gesagt, mehr schafft sie nicht. Dass Mama erzählt hat, dass sie zusammen Weihnachten gefeiert haben, sage ich, sie sagt: ich weiß nicht mehr. Ich erzähle, dass Mama die Gitarre dabeihatte, und dass sie Oh, Du fröhliche gesungen haben und Stille Nacht. Ja, sagt sie, das war schön.
Nach einer Viertelstunde sage ich, ich gehe dann mal und lasse dich schlafen, und wenn ich das nächste Mal in Köln bin, komme ich dich wieder besuchen. Zum ersten Mal huscht eine Regung über ihr Gesicht: Ist das bald?, fragt sie. Ja, sage ich, bald.

puh, das geht mir nahe.

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ich muss auf einmal daran denken, dass man in so einem alter schon ganz viele freunde verloren hat. wenn nicht alle. und man sucht sich ja nicht bis zum letzten atemzug neue gefährten. mit wem kann man noch erinnerungen teilen, die das eigene leben ganz persönlich betrafen. die anderen alten haben ihre eigenen geschichten. irgendwann hat man auch keine lust mehr, dauernd von vorne anzufangen, das leben zu erzählen. und die kontakte, die übrigbleiben, sind die jüngeren, die kinder und kindeskinder. geht mir gerade ganz intensiv durch den kopf. diese einsamkeit und erinnerungswelt, die einen (vielleicht) erwartet.

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zufall

woher sollst du es wissen, aber gerade heute macht mich der text besonders traurig.

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Mir macht es immer wieder Angst, ich möchte so nicht alt werden, ich möchte bitte bis 80 pumperlgesund sein und dann zack! Schluss. Kein besonders origineller Wunsch, natürlich. Alle alten Frauen in meiner näheren und weiteren Verwandtschaft waren (oder sind noch) lange in Pflegeheimen, weil entweder der Körper oder der Geist oder die Seele nicht mehr konnte, und es ist alles auf seine Weise gleich furchtbar. Jahrelang.
Und es muss entsetzlich einsam sein.

Aber dann muss man auch die Schultern wieder straffen und sich sagen, dass man sich darüber lieber jetzt noch keine Sorgen macht, denn davon bekommt man nur Magengeschwüre und das hilft ja auch nicht. Immerhin werden wir später im Heim Internet haben und können in unseren Blogs mit unseren Zivis angeben!

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stimmt! wir haben dann ja internet. mit spracherkennung und video. mein zivi muss mich vor dem video-internet aber ein bißchen zurechtmachen. weil eitel bin ich schon noch. auch mit neunzig. vielleicht gibt es ja sogar schon ganz viele senioren-blogger, die sich nur nicht trauen, ihr alter zu verraten. so ganz belesene und kultivierte, wo man immer neidisch ist, was die schon alles gelesen haben. und wen die alles kennen. man muß da mal darauf achten. vielleicht, wenn einer immer viel von so älteren künstlern von früher schreibt.

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Jaja, verstehe, diese Blogger, die Herrn da Vinci noch persönlich gekannt haben. Hm.

Wir könnten natürlich auch gleich ein Bloggeraltenheim aufmachen. Einer, der noch gut genug sieht, liest den anderen allmorgendlich die besten Blogs vor, und dann hecken wir gemeinsam lustige Späße mit dem Internet aus. Ach, das wird toll! Die knackigen Zivis werden sich um die Stellen reißen, weil sie uns schon seit Jahren bewundern und von uns lernen wollen. "Echt, isabo und Gaga sind auch in dem Heim? Da will ich arbeiten!"
Und wir nerven sie mit "ach, damals, da mussten wir die Links noch von Hand eingeben, mit eckige Klammer a href= und so!"

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genau! eckige klammern und alles! da musste man echt aufpassen!

mein weltweiter aufruf an alle senioren wurde gerade freigeschaltet! es kann losgehen!

ach ja! selbstverständlich habe ich für uns beide - vorausschauend wie ich bin - zwei tolle blogs angelegt:
http://senioren.blogger.de
http://seniorinnen.twoday.net
du musst nur noch ein bißchen warten. (67+)

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da ich ein nachkömmling bin, habe ich meine großeltern alle schon vor langer zeit beerdigt. meine großmutter ist sogar damals in meinem kinderzimmer verstorben. das schlimme ist, dass ich weiß, dass als nächstes meine eltern dran sind. schöne grüße aus köln.

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Meine eine Großmutter war auch länger in einem Altenheim. Als ich sie einmal besuchte, wollte sie aufs Klo gehen, kam dann nochmal aus dem Bad, Strumpfhose an den Knöcheln und Rock unter die Achseln gezogen, öffnete eine Schublade, zog eine riesige Windel heraus, wedelte damit wild in der Luft herum und rief fröhlich: "Die brauche ich ja jetzt!"

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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