"Als ich an einem frühen Morgen im Jardin du Luxembourg joggte, eine sportliche Betätigung, die ich seit einem guten Jahr betreibe und zu der ich mich anfangs zwingen musste, da sich mein Körper mit all den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln sträubte und ich in erbärmlichem physischem Zustand und grauenhafter Stimmung heimkam, wenn auch mit der Gewissheit, jetzt erst recht und von nun an noch rücksichtsloser mit meinem Körper umzugehen, um ihn und mich zu einem disziplinierten Vollstrecker meines Willens zu machen, weil Menschen, so hatten es mir mein Vater, der Auschwitzüberlebende, und meine Mutter, Tochter eines zionistischen Pioniers, beigebracht, nicht an ihrer Willenskraft, sondern an ihren Gefühlen zugrunde gehen, hatte ich plötzlich die Eingebung, dass ich nicht rannte, um mich in den Griff zu kriegen, sondern um förmlich aus allen Poren auszuschwitzen, was man Erinnerungsgiftstoff nennen könnte."

Gila Lustiger: So sind wir

Was für ein Satz.

Grauslig.

da hätte ich mich jetzt fast verirrt. hab den ausgang zum glück noch gefunden...

mir gefällt der satz auch! ich lese das buch gerade, nachdem ich anfang des monats einer lesung der autorin beigewohnt hatte und mir das buch sehr interessant erschienen war.
das körperliche und der willen, die vergangenheit und moderner zeitvertreib, paris und schweiss: der ton ist gesetzt.

Mein ehemaliger Kollege und guter Freund A. vom Stamme der Ukrainer versucht seine exzellenten Deutschkenntnisse immer dadurch zu beweisen, dass er möglichst lange, kunstvoll verschlungene Sätze bildet.

ich schwanke noch. eigentlich grausig, schon aber auch faszinierend. mein bandwurmsatzgott und hypotaktischer liebling wird trotzdem javier marías bleiben mit seinen grandiosen romanen. aber darum ging es hier ja auch gar nicht. pardon. ich schwoff ab. :)

Ich hätte mir noch so einen Gedächtnisstützensatz gewünscht, einen von der wiederholenden Sorte. Also: nanananana, sondern an ihren Gefühlen zugrunde gehen, als ich an einem frühen Morgen im Jardin du Luxembourg joggte, hatte ich die Eingebung, nanananana.

Lange Bandwurmsätze voll mit Einschüben, Aufzählungen und abschweifenden Nebensätzen, die scheinbar völlig vom Thema abkommen, deren Inhalte aber in Wirklichkeit benötigt werden, um Intentionen und emotionale Gefühlslagen, die Ausgangspunkt oder gar Basis des im Hauptsatz beschriebenen sind, in einem Maße nachvollziehen zu können, das es erlaubt, das Kernstatement in seinem vollständigen Kontext aufzunehmen, gewissermaßen also das vielzitierte "ganze Bild" sehen zu können, dabei unweigerlich auf eine Auflösung zuschlingern, kurz vor dieser nochmal eine Schleife drehen und dadurch die Erwartungshaltung weiter steigern, die einen ahnen lässt, dass der Satz niemals mit einer einfachen Auflösung enden wird sondern mit einer Pointe, die wenigstens zu überraschen, vielleicht aber gar zu irritieren im Stande ist, mag ich nicht lesen müssen.