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Dienstag, 23. Juni 2009
Angela Präsent, Michael Naumann und die Übersetzervergütung.

Angela Präsent ist gestorben; eine ohne jeden Zweifel große Übersetzerkollegin, Lektorin und Autorin. Ich kannte sie nicht, kann nichts über sie sagen, aber sie hat ein so großes Ansehen genossen, dass Michael Naumann heute in der Süddeutschen Zeitung einen Nachruf geschrieben hat. Auch diesen Artikel habe ich nicht gelesen, ich habe die Süddeutsche nicht, aber im Übersetzerforum war zu erfahren, dass er Angela Präsent ausreichend würdigt und mit den Worten schließt:

Nicht erst seit kurzem klagen die Übersetzerinnen und Übersetzer des Landes über ihre zweifellos schlechte Honorierung. Angela Praesent hat nicht geklagt. Sie empfand ihre Arbeit als Glück. Es war auch das Glück ihrer Autorinnen und Autoren.

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll mit dem Aufregen. Was ist das für ein hoffnungslos verdrehtes Weltbild: Wenn die Arbeit einen glücklich macht, soll man nicht auch noch Geld dafür wollen? Lieber Herr Naumann, Sie sind doch nicht im Ernst der Ansicht, die Bezahlung solle mit der Unzufriedenheit wachsen? Je mehr man unter der Arbeit leidet, desto mehr Geld bekommt man, und wenn man seine Arbeit dummerweise als Glück empfindet, dann soll man dankbar sein und sie umsonst machen? Wir alle machen unsere Arbeit gerne. Sonst wären wir nämlich nicht Übersetzer. Würden wir nur fürs Geld arbeiten, dann säßen wir bei Lidl an der Kasse, da würden wir besser bezahlt und dazu noch angemessen leiden.
Ich weiß ja nicht genau, was Sie so verdienen, aber wahrscheinlich leiden Sie sehr unter Ihrer Arbeit, nicht wahr? Nein, das tut mir nicht besonders leid, im Gegenteil, ich rege mich gerade ganz fürchterlich auf, isch krisch Puls, denn das ist ja nur das eine, das andere ist: Wie kann man nur einen Nachruf dafür missbrauchen, so einen Unfug zu verbreiten, wie kann man in einem Nachruf so dummdreist zum Klappehalten aufrufen! Ihre Aufgabe als Nachrufschreiber ist es, Angela Präsent als Übersetzerin, Lektorin, Autorin zu würdigen, und nicht fürs Stillhalten. Ich kenne Frau Präsents Meinung zur Übersetzervergütung gar nicht, aber was Sie da machen, Herr Naumann, ist Missbrauch einer Toten, die sich nicht mehr wehren kann, für die politischen bzw. finanziellen Zwecke der Verleger. Wie kann man so was tun. Es ist unter aller Kanone.

Ich bin so dermaßen wütend.

Bin fassungslos.

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äquivalent zu den KiTa-Streikenden, Krankenschwestern, Sozialarbeitern etc. pp., denen doch das Ziel, das gute Gefühl, das was auch immer Lohn genug sein soll usw... das Schlimme ist, dass so eine Haltung sogar unter den Betroffenen anzutreffen ist (in meinem Fall warns Krankenschwestern, die gegen Kolleginnen "argumentierten, die nicht mehr so viele Ü-Stunden wollten oder eben Geld dafür - mit "Aber man ist doch Krankenschwester um den Menschen zu helfen!"

Die, die an solchen "edelmütigen" Haltungen sparen lachen sich ins Fäustchen.

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Ja, der Applaus ist das Brot des Künstlers.

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So ein Schmarrn.
Unten auf derselben Seite übrigens übrigens ein Vierspalter über genau den Streit zwischen Verlagen und Übersetzern, der jetzt den Bundesgerichtshof erreicht hat (5,33 Euro Stundenlohn?!).

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Keine Ahnung, wer diesen Stundenlohn ausgerechnet hat. Ich rechne eher in Monaten, man kann das schön übern Daumen peilen:

1. Anspruchsvollere Literatur, sagen wir 100 Seiten im Monat zum absoluten Oberspitzenpreis von 20,-/Seite, macht Einnahmen von 2000,- in Monat. Bei Selbständigen kann man annehmen, dass ungefähr die Hälfte davon das Einkommen ist. Netto, versteht sich. Also 1000,- €. Umsatzbeteiligung fällt flach, Anspruchsvolles verkauft sich nicht.

2. Leichtere Unterhaltungsliteratur, sagen wir 150 Seiten im Monat, und sagen wir untere Preisgrenze des eben noch duldbaren, nämlich 15,-€/Seite, macht 2250,- Einnahmen, also 1100,- zu versteuerndes Einkommen. Da kommt, mit ziemlich viel Glück, vielleicht noch ein bisschen Umsatzbeteiligung dazu. (Ich beispielsweise bekomme meist nochmal ein halbes Honorar pro 100.000 verkaufte Exemplare. Ich habe zufällig das Riesenglück, dass das in 9 Jahren schon zweimal passiert ist. Soviel zum Thema Umsatzbeteiligung.)

3. Für Science Fiction, hörte ich, gibt es oft 13,-/Seite. Dafür muss man sich aber auch richtig gut auskennen, weil es so viele Querbezüge gibt. Ich habe keine Ahnung, wovon die Kollegen leben, die das machen.

Die KSK bestätigt, dass das durchschnittliche Einkommen von Übersetzern bei 1100,- € liegt.

Kommt ja hin, 1100,-€ durch 200 Arbeitsstunden im Monat sind 5,50 €/Stunde. So siehts aus.

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(Zur Sicherheit: Ich habe diese Zahl keineswegs angezweifelt - ich war nur fassungslos. Wie ich es immer bin, wenn ich von der Bezahlung literarischer Übersetzung lese.)

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Ja, dachtichmir. Es bot sich nur gerade an, das noch mal eben zu wiederholen. Auch wenn es ursprünglich nicht meine Absicht war, hier über die Übersetzervergütung zu lamentieren.

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Und im übrigen bin ich der Meinung, Herr Naumann könnte auch mal über die Ethymologie des Wortes "Honorierung" nachdenken.

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Und zwar zu Recht.

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"Mein Lohn ist, dass ich darf"

Das stand an der Wand der Krankenschwesterschule, in der meine Mutter ausgebildet wurde. Das war in den Fünfziger Jahren.

In der Essenshalle ([Diako]nissenheim-Hardcore) stand übrigens: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein"

Völlig ernst gemeint.

Vielleicht war ja Herr Naumann das.

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Das würde ich auch sofort unterschrieben, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt. Aber OHNE Brot lebt er halt ratzfatz gar nicht mehr.

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Hihi, wem sagst du das...

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Herrn Naumann könnte man zurufen: Der Mensch lebt nicht von der Zeit allein. ;-)

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Umgekehrt ist das auch seltsam. Wenn man eine lukrative Arbeit macht, die einen aber anödet, schütteln alle nur den Kopf: "Warum willst du denn was Anderes machen? Du verdienst doch so gut."

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Klar. Steckt ja auch derselbe Denkansatz dahinter. Entweder Geld oder Spaß. Beides ist echt zu viel verlangt.

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Verdient der dalai lama eigentlich was? Wenn nicht sollt der Naumann den als Beispiel nehmen. Ist irgendwie plakativer.
Kann man als Übersetzer nich jedes Buch verhandeln? Pilcher läuft wie Sahneschnitte dafür gibt es dann mehr als die üblichen 15 € pro Seite, denn ohne Überstzung hätte der Verlag nix zu verkaufen oder? Da ist doch der Anspruch pups egal. Sinn würde das machen oder?

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Ja, klar, man verhandelt für jedes Buch neu. Der Spielraum liegt aber tatsächlich zwischen 15,- und 20,- EUR. Und wer beim letzten Buch 16,- bekommen hat, kann versuchen, beim nächsten 16,50 zu kriegen. Aber dann gibt's mit Sicherheit nicht schon beim übernächsten 17,-! Sondern vielleicht nächstes Jahr. So siehts aus. Und 20,- ist wirklich die Schallgrenze. Über 20,- bekommt ein superrenommierter Kollege für ein einzelnes, superschwierges Buch.
Für Pilcher gibt es auch keinen höheren Seitenpreis, aber da lohnt sich bestimmt die Umsatzbeteiligung. Aber wir können halt nicht alle Pilcher übersetzen.

(Ich hätte mal mitzählen sollen, wie oft ich den Satz "Warum übersetzt Du nicht Harry Potter?" gehört habe. Genau, warum eigentlich nicht?)

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...und selbst die superrenommierten kollegen wie zB Rudi Hermstein, die zB den Münchner Übersetzerpreis bekommen, konstatieren (in der SZ letztwoch, 15.06.): "...leben kann ich von meinen Honoraren als literarischer Übersetzer nicht."

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(Sangsema … kennen wir uns eigentlich? Sind Sie Übersetzer/in?)

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Mangelte es einem in ebensolcher Weise an Pietät wie dem Herrn Naumann, ließe sich ja aus der Verkettung der Umstände und Formulierungen ein gar prächtiger Anti-Naumann formulieren... das lass ich dann mal lieber.

(Kennen tun wir uns wohl nicht, sieht man von meinen gelegentlichen Kommentaren hier im Blog ab. Meine Übersetzungen liegen von der SF aus ca. einmal ums Eck - d.h. nicht nur :-S auf Platz 4 oder 5, sondern auch inhaltlich-thematisch. Irgendwie hab ich ja nun nicht den Eindruck, dass Sie zu meinem Leserkreis gehörten... aber die Antarktis-Sache, die ich hier mal erwähnte, die kommt erst Herbst nächsten Jahres raus.)

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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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