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Donnerstag, 12. November 2009
Rechtschreibung

Wir leben in einem durchorganisierten Land, einer durchorganisierten Welt gar, alles ist geregelt, unter anderem, wie man schreibt. Für jedes Wort gibt es eine geltende korrekte Schreibweise, und wenn ein neues Wort im Sprachgebrauch auftaucht, wird es relativ schnell in den Duden und andere Wörterbücher aufgenommen. Was da drinsteht, gilt als korrekt. Man nennt das Rechtschreibung. Sprache funktioniert, weil sich alle dran halten.
Jetzt wurde da vor einer Weile mal ein bisschen was reformiert, und prompt beschließt ein Teil der Bevölkerung schlankerhand, sich nicht an die nun geltenden Regeln zu halten, sondern einfach so weiterzumachen wie bisher. Begründet wird das meist mit dem kölschen Grundgesetz, das da lautet:

§ 1. Dat hammer schon immer esu jemaht.
§ 2. Dat hammer noch nie esu jemaht.
§ 3. Do künnt jo jeder kumme.

Mit dieser Begründung schreiben Privatpersonen, Blogger, einzelne Journalisten, ganze Zeitungen, einzelne Autoren, ganze Verlage nach längst nicht mehr geltenden Regeln. Jeder, wie er will, quasi Rückfall ins Mittelalter. Manche Verlage schicken mir eine Liste mit Wörtern, was sie bitte wie geschrieben haben möchten. Ich glaube, es hakt. Ich halte mich an die geltenden Rechtschreibregeln. Wo es sogenannte „Kann-Regeln“ gibt, entscheide ich kraft meiner königlichen Machtvollkommenheit (James Krüss, Sängerkrieg). Übrigens gab es schon immer „Kann-Regeln“, beispielsweise konnte man schon immer Foto oder Photo schreiben.
Es gibt ja bei den neuen Regeln nicht mal groß was zu „lernen“, daran kann es nicht liegen. Ein supertolles Feature ist die Sache mit ss und ß, das ist auf einmal total logisch, und man braucht es nicht mehr nachzugucken. Ein Großteil der wirklich wenig sinnvollen Auseinanderschreibung wurde zurückgenommen (dazu habe ich übrigens noch eine weitere Meinung, die ich hier schon mal zu erklären versucht habe) oder zu „Kann-Regeln“ modifiziert. Der Duden gibt in „Kann-Fällen“ jeweils eine Empfehlung ab und empfiehlt zumeist, zusammenzuschreiben, was zusammengehört. Ansonsten merke man sich das Wort Stängel, sonst fällt mir tatsächlich gerade nichts ein, was man jetzt wirklich anders schreiben müsste. Aufwendig darf man wieder mit e schreiben (Duden empfiehlt das sogar), man darf Delphin, man darf sogar Portemonnaie schreiben. In alter Rechtschreibung zu schreiben, ist reine Bockigkeit, neue Regeln sind geltende Regeln. Es geht ja nicht mal um Sinn und Unsinn dieser Regeln, denn logisch waren Sprache und Rechtschreibung noch nie. Und „dat hammer schon immer esu jemaht“ war noch nie eine gute Begründung für irgendwas. Wo kommwa denn dahin, wenn jeder schreipt, wia will.

Gute Gelegenheit, hier noch mal auf die Office-Bibliothek hinzuweisen (der Link führt leider auf eine schlechte und unvollständige Seite): man kann alle Produkte der Häuser Duden, Langenscheidt und Brockhaus auf CD-ROM erwerben (oft im Paket mit der Papierversion, aber auch einzeln) und sie alle in ein und dieselbe Benutzeroberfläche packen. Wenn man ein Suchwort eingibt, bekommt man auf einen Knopfdruck die Antworten aus sämtlichen installierten Wörterbüchern. In Sekundenbruchteilen. Ohne die Officebibliothek würde ich ein Zehntel von dem nachgucken, was ich nachgucke, und für Übersetzungen trotzdem dreimal so lange brauchen. Der Rechtschreibduden beispielsweise kostet auf CD 19,95 €, auf Papier 21,95 €, beide zusammen im Paket 27,95 €. Geht hin und kauft, und haltet Euch an geltende Regeln.

Hugh.

Das hilft nicht. Ich bin geschlagen mit einer Mischung aus Schlampigkeit und der Hoffnung, das sei ja vielleicht moderne Kunst oder Dada oder sowas, wie ich was schreibe.

Ich glaube, da hilft nur Schimpfe.

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Öh? Du schreibst doch nach geltender Rechtschreibung. Es geht ja nicht drum, dass man mal Fehler macht.

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Ja, aber. Genau diese Kann-Regeln führen dazu, dass eben doch jeder schreibt wie er will. Früher (TM) konnte man Bücher und Zeitungen lesen, und man wusste, was da steht, stimmt. Heute schreibt die FAZ anders als der Spiegel anders als Suhrkamp anders als Fischer. Manche neue Autoren wollen in alter Rechtschreibung aufgelegt werden, andere nicht ... ich kann mich auf nichts mehr verlassen außer auf: könnte richtig sein. Und das macht mich wahnsinnig.

Deswegen habe ich, ehrlich gesagt, ziemlich abgeschenkt, schreibe jetzt eher wie ich *glaube* dass es richtig ist anstatt dass ich *weiß*, dass es richtig ist. Was mich genauso wahnsinnig macht, denn bis zur Reform habe ich meine Rechtschreibkenntnisse für ziemlich gut gehalten. Heute leider nicht mehr.

Was nicht heißt, dass ich bockigerweise nach der alten Schreibweise schreibe. Es heißt nur, dass ich nicht mehr die gleiche Sorgfalt aufwende, weil ich sonst bei jedem dritten Wort im Duden nachgucken müsste, was der Herr denn heute empfiehlt.

*rant off*

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Das meine ich ja: ein Teil dieses Theaters wäre behoben, wenn wenigstens schon mal alle nach neuen Regeln schröben.

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Solange weiter Quatsch im Duden steht, dort fröhlich die amtlichen Regeln wie ein Gummiband gedehnt werden, im Wahrig wiederum ganz andere Varianten stehen, muß und muss man sich doch nicht wundern.

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Ich wunder mich gar nicht. Ich finde nur, dass nicht mehr Thür und muß zu schreiben sey.

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Das ist ja jetzt auch wieder polemisch ;-)

Allein die zahlreichen Unklarheiten und Ungereimtheiten im Bereich der Komposita und Groß- und Kleinschreibung lassen mich völlig ratlos zurück. Der Duden ist da keine Hilfe, im Wahrig steht wieder was anderes, die amtliche Liste, ach ja, wo ist die noch mal im neuen Duden?!?

Ich habe eine leichte Lese- und Schreibschwäche und habe wirklich hart daran arbeiten müssen, wenigstens die alte Regelung einigermaßen hinzubekommen. Die neue und die Reförmchen dieser Reform (allein erziehend jetzt also doch wieder) haben mich ziemlich aus dem Gleis geworfen, zumal ich jetzt beruflich anders schreiben muß als privat in meinem "der" Weblog.

Und solche Trennungen "ha-ckedicht" sind ka-cke. So.

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Einspruch 1: Rechtschreibung ist nicht Sprache. (Eigentlich ein Lieblings-Missverständnis vieler Reformgegner.)

Einspruch 2: "Sprache funktioniert, weil sich alle dran halten" ist zwar richtig, suggeriert aber eine Instanz, die Regeln explizit beschließen könne/müsse. Die gibt es nicht, kann es nicht geben; der Duden ist fürs Vokabular irrelevant und schon gar nicht maßgeblich. Sprache ist in jedem Augenblick das, was Leute draus machen. Je mehr sie sich dabei im Konsens zum Hörer/Leser bewegen, desto besser funktioniert sie. (Für Rechtschreibung ist das anders, sie ist von oben verordnete, sinnvolle Konvention und sollte als solche zum einheitlichen Handwerkszeug für alle beruflichen Textproduzenten gehören.)

Einspruch 3: Privatpersonen sollen bitteschön auch weiterhin schreiben dürfen, wie sie wollen. Solange (so lange?) ich kein Schulbuch, Gesetzestext, Roman, Werbebroschüre oder Zeitungsartikel schreibe, möchte mir die offizielle Rechtschreibung des Deutschen, reformiert oder nicht, bitte den Buckel runterrutschen.

Einspruch 4: Du sollst mich nicht leichtfertig zu langatmigen Grundsatz-Schwafeleien verleiten, die auch noch am Kern dessen, was du sagen wolltest, vorbeigehen.

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Einsprüche 1 und 2 sind natürlich ein und derselbe, und Du hast natürlich Recht, aber nur so halb. Rechtschreibung ist nicht Sprache, das war eine unzulässige Überspitzung. Rechtschreibung ist aber ein Teil der Sprache, nämlich die Regelung der Schriftsprache. Und die Instanz für die Rechtschreibung ist durchaus der Duden (beziehungsweise: der Duden bildet auch nur ab, was ist, ist in dieser Abbildung dann aber wiederum maßgeblich), und ich halte es auch für sinnvoll, dass es eine solche Instanz gibt, die festlegt, was wie geschrieben wird. (Ein Berufsschüler aus dem Saarland schrieb mal in einem Formular unter "Beruf": Bekaxel. Man muss das, vor allem als Nicht-Saarländer, oft und laut lesen, bis man drauf kommt, was er von Beruf war.) Eben, verbindliches Handwerkszeug.
zu 3.: Das ist mir relativ egal, ich halte es aber trotzdem für bockig. Aber es kann natürlich bockig sein, wer will.

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Meinen Sie das wirklich ernst? Ich finde die Haltung "Ich mache das jetzt so, wie ich es für richtig halte" eigentlich viel sympathischer als "Da gibt es ein Gesetz, und das wird befolgt, komme, was wolle." Solange die Kommunikation funktioniert, warum nicht? Dass es (etwa im publizistischen oder im pädagogischen Bereich) Verabredungen geben muss, ist klar. Aber was gibt es denn dagegen zu sagen, wenn die Leute miteinander sprechen?

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Ich habe gar nichts dagegen, wenn Leute miteinander sprechen. Sprechregeln gibt's ja zum Glück nicht. Aber für Geschriebenes gibt es Regeln, und wer professionell schreibt, soll sich dran halten.
[Kunst ist Regelnbrechen, schon klar, das meine ich aber hier nicht. Von "Komme, was wolle", war keine Rede.]
Und naja, wenn jemand Leute umbringt, weil er das gerade für richtig hält, finden Sie das vermutlich auch nicht sympathisch. (Hinkende Vergleiche wahrscheinlich auch nicht.)

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Übrigens habe ich hier schon mal was zum Thema "richtig" und "falsch" geschrieben. Vielleicht relativiert das diesen Eintrag ein wenig. Ich bin nämlich keineswegs der Meinung, man müsse sich immer und überall sklavisch an den Duden halten.

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is ja allet recht und billig, aber was heißt denn nun bekaxel?

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Béka-xel.
Bäckergeselle.

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ah, -gsell. subba!!

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Nur der gemeinsame Bezug auf die Vorgaben des Duden ermöglicht doch all die herrlichen Streiter- und Haarspaltereien um korrekte Schreibung bei uns in der Arbeit. Ein "ICH mach's trotzdem anders" käme einem Gesichtsverlust gleich.

Heutige Schreiblerner (Erstklassler, Fremdsprachler) tun mir von Herzen leid.

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nenee, heutige Schreiblerner tun mir nicht Leid, denn DIE haben nicht das Problem (zumindest nicht beim Lernen) sondern die, die es mal wann anders anders gelernt haben. Die Neu-Lerner haben allerdings ein anderes Problem, nämlich die vielen "ich habs anders gerlernt"-Lerner, deren inkonsistente Schreibung die armen Neu-Lerner in Verwirrung stürzt, und nicht etwa die Regeln, die sie gelernt haben.

(btw. kenne ich einige Neu-Lerner, Kids, Schüler, und habe die Erfahrung gemacht, dass die wirklich weniger Probleme haben. Trotz "kann". Die größere Schwierigkeit als "kann"-Regeln dürften nämlich die alten "Ausnahmen" sein, die man schlicht auswendig lernen musste, weils dazu eben keine Regel gab außer der, dass das "so ist" (in der Grundschule braucht einem keiner was von Umlautung bei i in der Folgesilbe, heute aber nicht mehr erkennbar, o.ä. erzählen), die jetzt weggefallen sind)

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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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