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Donnerstag, 26. November 2009
Geld

Im Übersetzerverband werden gerade Spenden gesammelt. Für eine renommierte Kollegin, die seit Jahrzehnten fast ausschließlich Hochliteratur übersetzt – sprich, sehr schwierige Arbeit für sehr wenig Geld macht, und Umsatzbeteiligung bekommt sie natürlich auch nicht, weil so was ja nicht gelesen wird. Applaus ist der Lohn des Künstlers, aber von Besprechungen im Feuilleton wird man nicht satt. Daher musste sie, um überhaupt über die Runden zu kommen, so viel arbeiten, dass sie jetzt mit Burn Out diagnostiziert ist. Bis man sich davon soweit erholt hat, dass man wieder arbeiten kann, sagt der Arzt, kann es zwei Jahre dauern.
Seit ihrer Krankschreibung von einem Jahr hatte sie zunächst überhaupt kein Einkommen, inzwischen bekommt sie ein Butterbrot vom Sozialfonds der VG Wort und ein weiteres von der KSK. Keine Ahnung, ob das wenigstens schon mal für die Miete reicht. Rücklagen hat sie so gut wie nicht, woher denn auch.
Mit, wie der damalige Bundespräsident Roman Herzog es formulierte, „einem der wichtigsten Berufe, die unser Geistesleben kennt“, verdienen wir im Durchschnitt um die 1000,- € im Monat. Davon können wir nichts zurücklegen, um in Zeiten der Not davon zu zehren. Davon spenden wir jetzt, denn wer nicht arbeiten kann, bekommt kein Geld. So siehts aus mit der Vergütung.

[PS: Neulich habe ich mal etwas anderes als Literatur übersetzt, ein kleines Filmchen. Mein direkter Auftraggeber war eine Marketingagentur. Ich habe genau doppelt so viel berechnet wie für Literaturübersetzungen. Als ich dem Auftraggeber im Gespräch sagte, dass man mit Literatur weniger verdient, sagte er völlig verdattert: "Wie, NOCH weniger?" Wahrscheinlich hätte ich statt des doppelten auch den dreifachen Betrag nehmen können. Sein Auftraggeber übrigens war ein Literaturverlag, der mit diesem Filmchen Werbung macht. Das zum Thema "Verlage haben kein Geld". Man sollte vielleicht einfach Verlagswerbung übersetzen statt der eigentlichen Produkte, die sie verkaufen.
Und, ja: solcherlei trägt sicher zu den Depressionen bei, die mit einem echten Burn Out einhergehen.]

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Ich habe das jetzt eher als allgemeine Bestandsaufnahme aufgefasst, aber trotzdem: Gibt es denn eine Möglichkeit für Nichtmitglieder des Übersetzerverbandes in diesem konkreten Fall, etc, usw. Paypal irgendwo vielleicht?

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Ja, es war als Bestandsaufnahme gedacht, aber Spenden sind natürlich hochwillkommen. Falls das noch jemand möchte, schicke ich Euch die entsprechende Kontonummer gerne per Mail. Anfragen bitten an ibogdan at gmx punkt de.
Wie es immer so ist bei Spenden: Kleinvieh macht auch Mist.
Danke, Hermann, die Nummer ist unterwegs.

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Schlimm, dass so etwas notwendig wird. Schön, dass es diese Solidarität gibt. Aber schäbig von den Verlagen, die Übersetzungen so schlecht zu bezahlen, dass die Menschen, die sie anfertigen, nicht davon leben können.

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Mir fehlen die Worte. Schlimm.

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Dein Rückschluss auf die Verlagswelt trügt leider. Du magst mit Deinem Auftraggeber, einer Marketingagentur, Glück gehabt haben, ansonsten sei versichert, im Verlagswesen sieht es ebenso verheerend aus. Allein in diesem Jahr haben über zwanzig mir persönlich bekannte Verlagsangestellte ihre Arbeit verloren, sind arbeitslos und um die Vierzig. Viele Redaktionen machen mit weniger Leuten und Kurzarbeit irgendwie weiter, freie Mitarbeiter werden nur eingeschänkt und wenn überhaupt zu Dumpingpreisen beschäftigt.

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Aus Kostensenkungen (auch im Personalbereich) und Sparmaßnahmen auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage eines Unternehmens zu schließen, das ist allerdings auch etwas, was ich nicht empfehlen würde. Schon gar nicht heute und schon gar nicht im Verlagswesen/Medienbereich.

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Das Wort "Redaktion" lässt mich vermuten, dass Du eher von Zeitschriftenverlagen sprichst als von Literaturverlagen. Darüber weiß ich nichts. (Habe aber den Verdacht, es ist nicht viel anders.)

Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass es auch den Literaturverlagen schlechter geht als noch vor einigen Jahren. Aber dass feste Mitarbeiter entlassen und freie immer schlechter bezahlt werden, heißt nicht, dass die Verlage nicht besser zahlen könnten, wenn sie wollten.
Ich habe mal für einen Verlag ein Buch übersetzt, der kurz vor der Pleite stand. Und erstmal gar nicht zahlte. Dann wurde er verkauft, und der neue Eigentümer setzte tatsächlich seinen Geschäftsführer ans Telefon, um alle Gläubiger einzeln anzurufen und ihnen "vorzuschlagen", dass sie doch, "um mit vereinten Kräften den Verlag zu retten" blabla, auf zehn Prozent des Geldes verzichten könnten. In meinem Fall wären das 700,- € gewesen, die der Verlag mir weniger zahlen wollte. So schlecht ging es diesem Verlag!
Im Verhältnis zu meinem Verdienst sind 700,- € eine ziemliche Stange Geld. Im Verhältnis zu der siebenstelligen Summe (sieben!), die der neue Konzern für den Pleiteverlag gezahlt hat, ist es ein trockener Husten. Zwei Wochen später feierte der Verlag seinen Umzug in ein größeres, schickeres, neues Verlagshaus mit mehreren hundert geladenen Gästen, mit Buffet und Band und allem Schischi. Wenn ich nicht am Telefon explodiert wäre und dem Geschäftsführer eine gepflegte Moralpredigt gehalten hatte, hätten sie mir tatsächlich die 700,- € abgebettelt. Und davon noch eine Sushiplatte mehr für ihre Party bestellt. Tut mir leid, aber da muss ich mal eben platzen.

Und wenn man sich anguckt, was für ausländische Bestsellerautoren an Lizenzen gezahlt wird, das ist auch oft genug siebenstellig, noch BEVOR sie irgendein Wort geschrieben haben, nee, Herr Paulsen, echt nicht. Unsereins kämpft erbittert um -,50 mehr pro Seite.

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Es geht ja hier wohl hoffentlich nicht um einen "mir gehts am schlechtesten" Wettbewerb! Ich habe lediglich darauf hingewiese, dass es im Verlagswesen brennt. Dass Du Dich auschließlich auf Literaturverlage beziehst war nicht ersichtlich, es war von einer Medien-Agentur die Rede. Und es ist mir auch klar dass einige Verlag diese Schritte zur Gewinnoptimierung machen, ich bin ja nicht bescheuert.

Dennoch trifft die Einschätzung bei "den Verlagen" wäre die Situation besser, zumindest für den Zeitschriftenmarkt nicht zu, die Note der Kollegen ist greifbar. Gleiches gilt übrigens auch für die Werbung.

Ich glaube der Punkt ist, dass Übersetzer schon vor der Krise schlecht bezahlt wurden. Jetzt werden viele Menschen schlecht und manche garnicht mehr bezahlt. Der Kampf um 50 Euro ist übrigens auch mir nicht fremd.

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Es geht überhaupt nicht darum, wem es am schlechtesten geht. Es geht darum, dass eine Kollegin am Boden ist, unter anderem aus finanziellen Gründen. Und die finanzielle Situation der Übersetzer (und nur für die spreche ich hier) ist deswegen so prekär, weil die Verlage, ja genau: schon immer extrem schlecht zahlen. Darum geht es.
Dass es den Verlagen ein bisschen schlechter geht als vor ein paar Jahren, tut schlicht nichts zur Sache. (Und dass sie behaupten, sie würden demnächst alle sterben, ist Politik.)

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Kleine Korrektur, Herr Paulsen: Isa sprach von 50 Cent, nicht von 50 Euro. Ein Missverständnis, an dem sich einiges ablesen lässt.

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Ach, bei einem durchschnittlichen Pensum von ungefähr hundert Seiten im Monat sind es ja 50,- Euro. Im Monat. Dann stimmts wieder.

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So gesehn.

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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