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Donnerstag, 21. April 2005
Wie ich mal im Fernsehen war

Ich hab's versprochen, also muss ich jetzt wohl die Geschichte von „Jeder gegen Jeden“ erzählen. Das Problem ist: Sie ist nicht witzig. Sondern ziemlich langweilig. Und es ist mir leider nicht gegeben, aus einer langweiligen Begebenheit eine lustige Geschichte zu machen.
Jedenfalls hielt ich es eines Tages für eine gute Idee, mal schnell 5000,- DM gewinnen zu fahren. Das Casting in Köln war eine Massenabfertigung in einem großen Hörsaal, in dem wir schriftlich eine Reihe Fragen beantworten mussten. Die Hauptstadt von Hessen hatte ich irgendwie dann doch richtig im Kopf, den Arbeitgeberpräsidenten habe ich von meinem Nachbarn abgeschrieben, und welches Handynetz man unter welcher Vorwahl erreicht, weiß ich bis heute nicht. Dann musste jeder noch schnell einen Satz in die Kamera sprechen, und ein paar Wochen später kam die Einladung nach Berlin, verbunden mit der Aufforderung, zwei verschiedenfarbige Outfits mitzubringen, aber bitte nichts Kleingemustertes und bestimmte Farben nicht.
Irgendwann im kalten März 1999 lungere ich also mit etwas Dunkelblauem bekleidet und etwas Dunkelgrünem in der Tasche in Gesellschaft erstaunlich vieler Anderer in einer ungemütlichen Halle irgendwo in Berlin herum. Wir werden in Zwölfergruppen an große Tische sortiert, damit man sich schon mal kennen lernen kann. Und eine Betreuerin haben wir auch, die das Gespräch in Gang hält, die allzu Aufgeregten beruhigt und Fragen zum Ablauf beantwortet. Die vielen Stunden Warterei werden nur dadurch unterbrochen, dass wir Einer nach dem Anderen geschminkt und dann alle zusammen in den Fundus kommandiert werden, wo wir uns in einer Reihe aufstellen und das Ersatzoutfit vor uns ausbreiten. Viel zu dunkel alles, wird festgestellt, die Sendung werde im Juli ausgestrahlt, und da sollten wir sommerlicher aussehen. Ich zum Beispiel. Ich könnte doch gut diese farbenfrohe, großgeblümte Bluse tragen. Nein? Nicht schön? Och. Dann vielleicht dieses quietschpinke Strickjäckchen mit den angekräuselten Ärmeln und der Perlenstickerei am Kragen. Im letzten Moment fällt mein Blick auf einen terracottafarbenen Blazer, den schnappe ich mir und gebe ihn nicht mehr her, obwohl er mir ein bisschen zu groß ist. Großgeblümt, ich glaub, es hakt.
Irgendwann sind wir endlich dran. Das Studio ist natürlich viel schäbiger, als es im Fernsehen aussieht, alles aus billigstem Plastik, mit Klebebändern geflickt, und Hans Hermann Gockel ist, Überraschung, viel kleiner, als man immer denkt, aber das sind Prominente ja immer.
Die Sendung selbst wird für mich zuerst peinlich, dann habe ich ein bisschen Glück und später ein bisschen Pech.
Peinlich nämlich, weil zu Beginn jeder Einzelne in Großaufnahme gezeigt wird, dazu sagt ein Sprecher so was wie: „Das ist isabo aus blabla, sie ist soundso alt und ist Übersetzerin für Englisch und Japanisch.“ Wir müssen derweil möglichst unbefangen in die Kamera lächeln, haha, und dann ein Begrüßungswort sagen, also Hallo, guten Tag, moin, hi oder Ähnliches. Und zwar bitteschön alle etwas anderes, und da ist es natürlich total lustig, wenn ich, ja genau, Konnichiwa sage. Ich lach mich tot.
Während die Schamesröte ganz langsam wieder aus meinem Gesicht weicht, fliegt als Erste die raus, die die ganze Zeit schon so aufgeregt war. Sie meint, die beiden Meere, die an Deutschland grenzen, hießen Atlantik und Pazifik. Die Fragen gehen hin und her, einer nach dem anderen bekommt das Licht ausgeknipst, irgendwann sind wir nur noch zu viert: der Wichtigtuer, der Nette, die Nette und ich. Es dauert noch eine ganze Weile, wir werfen uns die Fragen zu, ich habe das Gefühl, der Nette und die Nette und ich sind uns einig, dass wir den Wichtigtuer rausschmeißen wollen. Klappt aber leider nicht. Ich habe Glück: Welches Gemüse man bekomme, wenn man in Österreich „Karfiol“ bestellt, will Herr Gockel von mir wissen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, sage „äh, pffft, öh, Blumenkohl.“ Keinen Schimmer, wie ich darauf gekommen bin.
Die Nette fliegt raus und ich bin in der Endrunde! Das heißt, ich habe wieder drei Lichter vor mir und trete gegen den Wichtigtuer und den Netten an. Jetzt bin ich mir sicher: der Nette will auch den Wichtigtuer rausschmeißen. Schaffen wir auch. Da waren’s nur noch zwei.
Und jetzt kommt das Pech: In welcher Stadt treibt wieheißternochgleich sein Unwesen? Ich komme immerhin drauf, dass wieheißternochgleich Batman ist, aber die Stadt fällt mir beim besten Willen nicht ein. Seither weiß ich es, nutzloserweise. Der Nette wird gefragt, welcher bekannte Entertainer das Buch „Tränen im Aquarium“ geschrieben hat, das hätte ich gewusst, aber er nicht. Ich wieder: Wie oft war schon eine deutsche Stadt Kulturhauptstadt Europas? Öch. Falsch geraten. Nur noch ein Licht! Welcher südamerikanische Staat steht im Alphabet am weitesten hinten? Ich denke zunächst falschrum, mir fallen lauter Länder ein, die ganz weit vorne stehen, Ecuador, Chile, Bolivien, Brasilien, Kolumbien, alle vorne, bis mir aufgeht, dass ich andersrum überlegen muss, welche Buchstaben im Alphabet weit hinten sind, aber dummerweise hat man nur drei Sekunden zum Antworten. Gleichzeitig mit dem Piepser brülle ich „Venezuela!“, die Aufnahme wird gestoppt und zurückgespult, um zu überprüfen, ob ich noch rechtzeitig war. War ich nicht. Und so fahre ich mit einem hässlichen T-Shirt nach Hause und der Nette mit meinen 5000,- DM.

Nachklapp: die Aufzeichnung wurde am 3. Juli 1999 gesendet, zwei Tage nach unserem Umzug nach C. Es war unangenehm, mich selbst zu sehen, mein Doppelkinn, den zu großen Blazer aus dem Fundus, genau zu wissen, was passiert, und mich wieder über Venezuela zu ärgern. Mit Batman und den Kulturhauptstädten kann ich leben, aber Venezuela fuchst mich. Keine drei Stunden später fragt die neue Nachbarin von unten: „Waren Sie das vorhin im Fernseh? Waren Sie doch! Aber das mit dem Blumenkohl war geraten, oder?“

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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 11 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 12 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 12 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 12 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 12 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 12 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 13 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 13 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 13 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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