Donnerstag, 17. Januar 2008
Was lange währt, oder: Don't judge a book by its cover
isabo,
17:28
Schmerzensbuch war gestern, hier ist: das Herzensbuch! Endlich! Das Buch, das mir von all meinen Übersetzungen das allerliebste ist. Tamar Yellin: Das Vermächtnis des Shalom Shepher. Goldmann, 8,95 € Klappentext: Meiner Meinung nach ist der Kern des Buchs gar nicht so sehr die Geschichte um den Kodex, sondern Shulamits Auseinandersetzung mit sich selbst, ihrer Vergangenheit und ihrem ganzen familiären und kulturellen Hintergrund. Es wird parallel erzählt: die Geschichte ihrer Reise zu den Verwandten in Jerusalem, die Geschichte der Familie ab Mitte des 19. Jahrhunderts, und zwischendrin sind Kapitel über die Geschichte des Volkes Israel und der Stadt Jerusalem und einige Legenden über Moses eingestreut - inhaltlich also recht breit, aber so, dass sich alles aufeinander bezieht und ein stringentes Ganzes ergibt. Und das alles wunderbar poetisch erzählt, hach, es ist einfach ein ganz großartiges, wundervolles Buch, wirklich, auch wenn es, wie ich finde, nicht gerade aussieht wie hohe Literatur: das ist rein äußerlich. Ich würde mich sehrsehr freuen, wenn Ihr es läset, toll fändet, weitererzähltet, weiterverschenktet und vorzugsweise auch gleich an prominenter Stelle rezensöret. VORANKÜNDIGUNG:
textundblog,
17.01.08, 18:02
Glückwunsch! Zu Kaffee.Satz.Lesen (und der Never-ending-ich-schaffe-diesen- Termin-nie-Story): Du wirst es mir sowieso nicht glauben, aber ich werde versuchen am 24.2. zu kommen. ... Link
g a g a,
17.01.08, 18:05
Großartig. ... Link
juebe,
17.01.08, 19:03
Feedback
Am Montag habe ich das Buch bei meinem Buchhändler gesehen und bin froh, daß es weniger als 10 Euro gekostet hat. Das Thema ist interessant; die Übersetzung ist ziemlich lausig. Ich frage mich, warum Leute, die keine bis wenig Ahnung von jüdischen Dingen haben und nicht bereit sind, sich in die Basics einzuarbeiten, sich übersetzenderweise an jüdischen Themen abarbeiten wollen oder müssen. Auch wenn man Shulamits Auseinandersetzung mit sich selbst für den Kern des Ganzen hält, ist das kein Grund, bei jüdischen Gegebenheiten - die übrigens gerade in der Konstellation dieses Romans nicht von der Auseinandersetzung von Shulamit mit sich selber zu trennen sind - zu schlampen. Ein Glossar hätte dem Buch nicht geschadet. Ich bezweifle auch, daß ein durchschnittlicher Leser den Satz "er vervollständigte das Quorum im Haus der Trauer" versteht, was gemeint ist (Seite 62). Oder: Wenn auf Seite 100 von Tirzah als Autor (männlich) von "Andachtsliedern von Mädchen und Frauen" die Rede ist (S. 100), dann darf man sich schon als Übersetzerin informieren, daß "Tirzah" ein Frauenname ist. Bei der Umschrift von hebräischen Wörtern gelten in Deutschland die Leuenberger Transkriptionsregeln. Wenn man sich daran nicht halten will, dann sollte die Umschrift wenigstens in sich konsistent sein und nicht mal so und mal anders. Ein Fehler im System ist auch, daß die großen Verlage an falscher Stelle sparen und solche Übersetzungen nicht gegenlesen lassen. Rezensieren werde ich nicht, denn damit verschafft man einem solchen Buch mehr Beachtung als es verdient. ... Link
kaltmamsell,
18.01.08, 07:52
Glückwunsch, liebe Isa, gratliere sehr! @juebe: Nein, ein literarisches Werk muss (im Gegensatz zu einem Sachbuch) nicht allgemeinverständlich sein. Das war es im englischen Original auch nicht. Von James Joyces Ulysses verlangt man ja auch kein Glossar. Dem Mitlesen bei Lila (http://rungholt.wordpress.com/) entnehme ich zudem, dass es keineswegs in Erz gegossene Umschriftregeln für das Hebräische gibt. ... Link
isabo,
18.01.08, 23:20
Das ist vor allem auch unsachlich, und ich unterschreibe auch sonst alles, was die Kaltmamsell sagt. Gäbe es in Erz gegossene Umschriftregeln, hätte ich es deutlich einfacher gehabt. Aber so einfach ist es eben nicht. Soll ich den Namen der Autorin einfach Jellin schreiben? Denn wenn ich bei Yellin bleibe, dann müsste ich ja auch Yerusalem … naja. Und so weiter. Von all den Schuhen, die Sie mir da hinstellen, ziehe ich mir einzig den Tirzah-Schuh an. Das ist ein Fehler, das ist peinlich, das darf nicht passieren, und Sie können wetten, dass ich von diesem Schuh ordentlich Blasen kriege. ... Link
juebe,
22.01.08, 19:13
@kaltmamsell
Yellin mit Joyce zu vergleichen, das ist wie wenn man Äpfel und Kohlköpfe miteinander vergleicht. Bei historischen Romanen kann ein Glossar durchaus hilfreich sein. Ich habe das als sehr positiv in Erinnerung von einem Roman von Elena Dykewomon "Sarahs Töchter", eine lesbisch-jüdische Geschichte, die mit Pogromen im zaristischen Rußland beginnt und vom Weg in die neue Welt und dem Engagement in der Gewerkschaftsbewegung dort erzählt. Da hätte man dann auf die deutsche Übersetzung ganz verzichten müssen, denn von einem deutschen Publikum wäre da viel zu viel Vorwissen vorausgesetzt worden. Aber einen so sorgfältigen Umgang mit einem literarischen Text kann und will sich wohl nur ein kleiner Verlag leisten. Und zur Transkription: Lilas Blog ist ein Weblog und weder sie noch die Kommentierenden haben einen literarischen oder wissenschaftlichen Anspruch, was aber nicht heißt, daß es keine Regeln für die Transkription aus dem Hebräischen gäbe. Die zwei Beispiele, die ich hier beschrieben habe, sind nur BEISPIELE - also exemplarisch zu verstehen - oder erwarten Sie etwa, daß ich hier fünf Seiten Stichwortnotizen (danach habe ich es aufgegeben) ausarbeite? ... Link
juebe,
22.01.08, 19:45
@isabo
Falls Ihnen nicht deutlich geworden ist, daß die beiden Beispiele, mit denen ich meine Aussage belegt habe, eben Beispiele waren, dann tut mir das leid. Ich habe auch nicht kritisiert, daß Sie den Autorennamen "Yellin" nicht transkribiert haben, sondern, daß die Transkription im Romantext nicht in sich konsistent ist. Ich war von der stillschweigenden Voraussetzung ausgegangen, es sei bekannt, daß man Autorennamen - außer auf deren eigenen Wunsch - nicht transkribiert. Und doch! - Ich habe den Anspruch, daß man in einem literarischen Werk beispielsweise den oben zitierten Satz "er vervollständigte das Quorum im Haus der Trauer" so übersetzt / überträgt, daß er verstanden werden kann. Bei anderen Dingen bin ich großzügig. Ich halte es für nicht besonders gelungen das "Scharej-Zedek-Krankenhaus" nicht als solches stehen zu lassen, sondern daraus das "Tore-der-Gerechtigkeit-Krankenhaus" zu machen. Klingt für mich ähnlich verquer wie wenn jemand im Berlin sagen würde: "Nächste Woche gehe ich ins Nächstenliebe-Krankenhaus" stat: "Nächste Woche gehe ich in die Charite". Und was bei Ihnen auf Seite 12 die "Sprüche der Weisen" sind, wird gängigerweise als "Sprüche der Väter" veröffentlicht. Den ersten haben Sie noch inhaltlich richtig übersetzt, auch wenn die sprachliche Form nicht dem hebräischen Duktus entspricht, was eben ein mit der Materie vertrauter Übersetzer durchaus könnte. Der zweite Satz, den Sie mit "Sage nicht, wenn ich Muße habe, werde ich lernen; du möchtest dann nie Muße haben", den haben Sie falsch übersetzt, der endet nämlich in den "Sprüchen der Väter" damit, daß man nämlich nie lernen wird, wenn damit erst dann anfängt, wenn man die Muße dazu hat. Ist ein ganz anderer Grundsinn als bei Ihnen! Den "Magih" bei Ihnen auf Seite 140 gibt es nicht - das wäre ein "Maggid" (Geschichtenerzähler). Den "lokshnkuggl" - bei Ihnen auf Seite 79 - bringt noch nicht einmal einen Google-Treffer. Es handelt sich übrigens um einen Nudelauflauf. Selbiger kann süß oder herzhaft sein. Noch eine Anmerkung zur Umschrift. Meiner Ansicht nach hat eine Transkripiton den Sinn, dem Leser der Zielsprache einen Begriff der Ursprungssprache so nah wie möglich zu bringen. ... Link
percanta,
23.01.08, 00:44
Jetzt werden Sie aber inkonsequent, dabei ist die Konsequenz doch so wichtig. Und wenn Sie hebräischen Duktus verlangen, denken Sie auch daran, dass dies keine Übersetzung aus dem Hebräischen ist? Und wenn Sie dann noch kurz darüber nachdächten, wie verletzend das ist, was Sie hier hineinschreiben, wäre das ganz famos. ... Link
saru,
23.01.08, 12:06
@juebe: Wenn in einem englischsprachigen Roman der englische Familienname Shepher lautet, so kommt es einer Übersetzersünde gleich, diesen ins Deutsche zu „übersetzen“; etwa so, als würde man aus Smith Schmidt machen. Dass solche Vorgaben komplizierte Umschriftentscheidungen nach sich ziehen, liegt auf der Hand. Wenn die Autorin hebräische Eigennamen (etwa eines Krankenhauses) ins Englische übersetzt, so ist die Übersetzerin aufgefordert, ihr darin zu folgen. Wenn die Autorin die „Pirke Avot“ nicht mit „Sayings of the Fathers“ übersetzt, sondern allgemeinverständlich mit „maxims of the sages“ umschreibt, so haben die Väter in der Übersetzung nichts verloren (da es sich – erwähnten wir das schon? – um einen Roman handelt). Und wenn die Übersetzerin dann noch eine schöne poetische Übersetzung dieser Sprüche verwendet, die genau den von Ihnen eingeforderten Sinn trifft, so freut sich der Romanleser – sollte man meinen. Und wenn eine gewissenhafte, nur dummerweise nicht unfehlbare Übersetzerin mit Häme überkübelt wird, fällt das ohnehin nur auf den Absender zurück. ... Link
juebe,
23.01.08, 15:01
@saru
Wo sehen Sie Häme? Kann es sein, daß Sie etwas reinlesen, was so nicht vorhanden ist. Habe ich beanstandet, daß der englische Familienname nicht transkribiert wurde? Auch hier lesen Sie was rein, was nicht gesagt wurde. Ich hatte auch nicht beanstandet, daß die Übersetzerin "eine schöne poetische Übersetzung dieser Sprüche verwendet, die genau den ... Sinn trifft", sondern, daß bei dem einen Spruch der Sinn nun nicht getroffen wird, weil er falsch übersetzt ist. Aber offensichtlich gehen hier die Emotionen so hoch, weil jemand sich Kritik erlaubt, daß anscheinend nicht mehr gelesen wird, was da steht, sondern einiges hineingelesen wird und das dann kritisiert wird. Anscheinend ist Kritik, die begründet wird, in einem Blog ein Tabu. Das war mir bis jetzt nicht bekannt, weil ich vorwiegend politische Blogs lese. ... Link
isabo,
23.01.08, 15:20
Jetzt ist es aber mal gut. Dass Sie den Sinn des Spruchs, den ich selbstverständlich nicht selbst übersetzt habe, in dieser Übersetzung offenbar nicht verstehen, ist Ihr Problem. Ich finde ihn durchaus einleuchtend, wenn auch recht poetisch formuliert. Über den Magih könnte ich jetzt eine ganze Erklärungs-Mail von der Autorin zitieren, etc. pp., aber, ach, das dürfte gar keinen Sinn haben; ich weiß nicht, welchen Groll Sie gegen mich hegen, Juebe, aber von all Ihren pauschlen Anschuldigungen, die ich tatsächlich nicht als konstruktive Kritik sehen kann, bleibt nichts übrig außer Tirzah. Alles andere ist, mit Verlaub, Unfug. Es wäre schön, wenn Sie mich damit fortan verschonen könnten. ... Link
juebe,
23.01.08, 15:09
@percanta
Mein Vorschlag wäre eher den ganzen Satz anders zu übertragen und nicht so sehr auf das Wort "Quorum" zu gehen. Ich denke, daß bei Lesern aus dem englischen Sprachraum ein umfangreicheres Vorwissen vorausgesetzt werden kann als hier, weil dort mehr Kontakt mit jüdischem Leben möglich ist als hier. Wäre interessant zu erfahren, was Sie sich beim Lesen des Satzes vorgestellt haben. Verraten Sie's? ... Link
isabo,
23.01.08, 15:39
Da haben wir einfach einen unterschiedlichen Ansatz im Literaturverständnis. Alles, was das Quorum erklären würde, würde den Satz deutlich umständlicher machen. Täte ich das bei allem, was dem Leser unklar sein könnte, wäre das Buch doppelt so dick und halb so schön geworden. Die Autorin hat übrigens auch nichts erklärt, und gerade das gehört zum Charme dieses Romans: dass er ganz selbstverständlich in seiner Welt lebt, und nicht zum Erklärbuch für Außenstehende geraten ist. ... Link
jensscholz,
23.01.08, 16:25
na, frau juebe, sie halten nichtjüdische leser offenbar für ganz schön blöd, was? ... Link |
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Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
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