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Freitag, 2. Januar 2009
Be clear and confident

Gestern habe ich im Park ein Tagebuch gefunden, nass und in Fetzen, über eine ganze Strecke verteilt. Es ist auf Englisch geschrieben, in einer sehr akkuraten, fremdartigen Handschrift, der Schreiber ist vielleicht Inder. Er hat das Heft einmal in der Mitte durchgerissen und in einen Mülleimer geworfen, in der Silvesternacht wurden die Mülleimer geplündert, der Müll verteilt. Mein Mann hat sich erst ein bisschen geschämt, als ich anfing, die nassen Tagebuchfetzen aufzusammeln, aber dann hat er mir geholfen.
Jetzt liegt es hier und riecht nach nassem Papier, ich muss davon niesen. Ich habe es noch nicht gelesen, nur einzelne halbe Seiten. Es gibt nur halbe Seiten. Ich habe noch nicht versucht, sie zusammenzusetzen, den Zusammenhang zu finden, die Geschichte dahinter zu entdecken. Es liest sich sehr klassisch, fast wie eine Anleitung zum Tagebuchschreiben. Die täglichen Ausgaben und der Konto- oder Bargeldstand werden angegeben, ich weiß nicht, in welcher Währung. Der Mann hat sich auf eine Prüfung vorbereitet. Er hatte gute Vorsätze, immer wieder, ganze Listen. Yoga machen. Noch früher aufstehen. Für die Prüfung lernen. Manchmal hat er Merksätze, Lebensweisheiten, Aphorismen, Einsichten notiert.
Ich scheue mich noch, es wirklich zu lesen und zusammenzusetzen. Das tut man doch nicht.

Und Bloggen kann ich es natürlich erst recht nicht. Das ist ein privates Tagebuch. Aber es fällt mir schwer. Vielleicht kann ich diese eine Seite zeigen, die mir zufällig in die Finger gefallen ist und gerade so schön zum Datum passt. Sie stellt den Schreiber nicht bloß. Ich habe keine Ahnung, ob der Rest ihn bloßstellen würde. Warum hat er es durchgerissen und es in einen öffentlichen Mülleimer in einer Grünanlage in Hamburg geworfen?

Oder er war es nicht selber, der es zerrissen und weggeworfen hat. Sondern eine enttäuschte Liebe, die es ihm entwendet hat. Oder sein Vater, der ihn aus der Ferne besuchte und der darin alle seine Befürchtungen bestätigt sah. Vielleicht ist wurde es gar nicht in Hamburg geschrieben, sondern in einem englischen Internat. Wo es der deutsche Schulkamerad und Vollidiot aus Schabernack klaute, daheim doof fand und wegwarf.

Unendliche Mögichkeiten einer Geschichte. Da ist er, Dein erster Roman.

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Ich glaube auch, dass er es nicht in Hamburg geschrieben hat. Die Zahlen sind eher nicht Euro. Und es gibt einige Seiten in anderen Handschriften, wo ihm Freunde oder Bekannte gute Wünsche und ihre Adressen hinterlassen haben.

Vielleicht klärt es sich ja, wenn … Ich seh schon, ich muss es doch zusammensetzen. Passt ja prima, dass ich gerade überhaupt gar keine Zeit habe.

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Vielleicht hat auch jemand eine geklaute Tasche ausgemistet und das darin gefundene Tagebuch weggeschmissen...

Es könnte ja auch der letzte Eintrag Licht ins Dunkle bringen? Hach. Toll. Halten Sie uns auf dem Laufenden.

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Oh, wie schön. Und wie spannend. Ich denke auch, das muss zusammengesetzt werden.

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Da geht man mal einmal nicht in den Park...

Toller Fund. Wäre fast was fürs Found Magazine. Wenn es nicht zu identifizierbar oder persönlich ist.

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Oh, ich könnt's nicht aushalten!

Große Bewunderung für diese Disziplin. Du schreibst immer von "seinem Tagebuch". Gibt es einen Namen in diesem Tagebuch? Oh, es ist spannend,auch die Information über die Adressen von Bekannten usw. Das klingt wirklich nach Romanstoff. Ich bin gespannt, was Du damit machst.

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*hust*
Es hat in Wahrheit eher mit mangelnder Disziplin und dem daraus folgenden, äh, naja, also, es ist mal wieder so weit.

(Einen Roman, janee, is klar.)

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das ist die Handschrift einer älteren Frau (der Anstrich zum c ist rührend und das r ist altmodisch geschwungen). Die Schrift hat weder Weite noch Höhe (das f hat keinen Oberschwung, der Unterschwung ist rund und schließt völlig). Eine bodenständige, bescheidene, zurückgezogen (a, o) lebende Frau. Keine Allüren. Aber sie schreibt Tagebuch, weil sie weit weg von zuhause lebt und in der fremden Umgebung um Selbstbewusstsein ringt. Man klaut ihr die Tasche, zerreist das darin enthaltene wertlose Papier und wirft es weg. Diese Frau hätte es niemals in dieser Form entsorgt. Sie tun gut daran, es vertraulich zu behandeln.

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Hihi, vielleicht sollten lieber Sie den Roman schreiben, den man mir hier anzutragen versucht. Beneidenswerte Phantasie, Sie brauchen ja nicht mal den Rest des Tagebuchs. (Der würde Ihnen ziemlich genau das Gegenteil erzählen, aber das ist ja vollkommen egal.)

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Last modified: 09.12.13, 22:30
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 11 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 12 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 12 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 12 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 12 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 12 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 12 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 13 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 13 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 13 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 13 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 13 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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