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Mittwoch, 29. Juli 2009
Tourette-Uhren

Eine Tourette-Uhr ist sowas ähnliches wie eine Kuckucksuhr, nur ruft sie nicht Kuckuck. Als wir heute dort waren, brüllte die Uhr uns zur Begrüßung an: "Drei Uhr, Arschlöcher!" Morgens wecken Tourette-Uhren einen mit "Sieben Uhr, faule Sau!", später rufen sie einen mit "Ein Uhr, Fettsack!" zum Mittagessen, und abends befehlen sie: "Elf Uhr! Ficken!"

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Anton Cechov: Die Dame mit dem Hündchen (Ü: Hertha von Schulz)
Und: Herzchen (Ü: Gerhard Dick)

Zwei Erzählungen von Cechov in einem Minibändchen, Hosentaschenformat. Ähm, wie sag ich’s meinem Kinde? Mir fallen lauter Adjektive wie „charmant“, „hübsch“ und „nett“ ein. Die meine ich ganz ernst und nicht mal mit irgendwelchen ironischen Schlenkern, ich finde das wirklich nett und hübsch und irgendwie charmant. Wahrscheinlich bin ich eine entsetzliche Banausin, aber es kommt emotional nicht recht bei mir an. Wie Kostümfilm gucken, da ist so viel Kulisse, es ist schön anzusehen, aber es berührt mich nicht wirklich. Oder liegt es an den Russen? Ich weiß es nicht. Ich habe diesen Geschichten nichts vorzuwerfen, das ist schon alles in Ordnung. Kommt nur nicht richtig bei mir an.

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Kressmann Taylor (Dorothee Böhm): Adressat unbekannt

Der Deutsche Martin Schulse und der amerikanische Jude Max Eisenstein hatten gemeinsam eine Galerie in San Francisco. Schulse geht mit seiner Familie nach Deutschland zurück, Eisenstein führt die Geschäfte weiter, und hier fängt dieser sehr kurze Briefroman an. Mit Briefen der beiden, Briefen voller inniger Freundschaftsbekundungen. Aber es ist 1932.

Lieber alter Max,
Du hast bestimmt von den neuen Ereignissen in Deutschland gehört und wirst wissen wollen, wie es sich für uns aus der Innensicht darstellt. Um die Wahrheit zu sagen, Max, ich glaube, dass Hitler in einiger Hinsicht gut für Deutschland ist, aber sicher bin ich mir nicht. Er führt nun als Kanzler die Regierungsgeschäfte, und ich denke, selbst Hindenburg könnte ihn jetzt nicht mehr stürzen, da er ja gezwungen war, ihn an die Macht zu bringen. Der Mann ist wie ein elektrischer Schock, so stark, wie nur ein begnadeter Redner oder ein Fanatiker es sein kann. Aber ich frage mich, ob er richtig im Kopf ist. Seine Braunhemden sind nichts als Pöbel. Sie plündern und haben mit böser antijüdischer Hetze begonnen. Aber vielleicht sind dies nur Nebensächlichkeiten, der leichte Schaum an der Oberfläche, der entsteht, wenn eine große Bewegung zu sieden beginnt.

Innerhalb kürzester Zeit wächst Martins Begeisterung für Hitlers Ideen, er geht selbst in die Politik, schließlich kündigt er Max die Freundschaft. Es passiert etwas, und dann nimmt die Sache eine Wendung, die man allerdings schon ahnt, wenn man das doofe Vorwort von Frau Heidenreich gelesen hat. (Ich habe es auch nur zur Hälfte gelesen. Kann man sich sparen.)
Die Geschichte erschien in Amerika erstaunlicherweise bereits 1938. Der reine Text, ohne das Vorwort, hat nur vierzig Seiten. Vierzig Seiten, die wie eine Art Essenz wirken; hochkonzentriert, sie hauen einen um, man hat vielleicht das Gefühl, es müssten eigentlich noch mehr Briefe dazwischengehören, aber man braucht sie nicht, diese paar hier reichen. Sie haben genügend Wucht, dass einen das kalte Grausen packt, obwohl man bereits reichlich solche Geschichten kennt. Sehr intensiv. Das Büchlein kostet keine fünf Euro, und man hat es in einer Stunde gelesen. Tut das.

(Ich bin übrigens dadurch auf das Buch gestoßen, dass eine Dame bei Kaffee.Satz.Lesen damit ankam, sie war sehr begeistert und schlug vor, es bei KSL vorzulesen. Das passte nun leider gar nicht in unser Konzept, aber es klang so interessant, dass ich mir den Titel notiert habe. Liebe unbekannte Dame: danke.)

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Last modified: 06.06.24, 10:52
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 12 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 13 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 13 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 13 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 14 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 14 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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