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Montag, 22. Februar 2010
Is a book

Kathrin Schmidt: Du stirbst nicht.

Der Roman beginnt so:
Es klappert um sie herum. Als ihre Schwester heiratete, hatte die Mutter das Silberbesteck in eine Blechschüssel gelegt, auf eine Alufolie. Heißes Salzwasser darüber. Das saubere Besteck wurde nach einiger Zeit aus der Schüssel genommen und abgetrocknet: Es hatte genauso geklappert. Wer heiratet denn? Sie versucht die Augen zu öffnen. Fehlanzeige. Mehr als Augenöffnen versucht sie nicht. Ist genügsam. Sie kann aber sehr deutlich die Stimme ihrer Mutter hören. Ah, also doch das Besteck! Was sagt ihre Mutter?

In Helene Wesendahls Kopf ist ein Aneurysma geplatzt. Sie wacht im Krankenhaus auf, weiß nicht, was passiert ist, weiß nicht, wer sie ist, wer ihre Familie ist, erinnert sich nicht an ihr bisheriges Leben, kann sich nur höchst eingeschränkt bewegen. Der Buchanfang ist großartig: wie sie aus dem Koma erwacht, keine Ahnung hat, wer und wo sie ist, aber Dinge wahrnimmt, auch Erinnerungsfetzen einbaut und wieder wegnickt. Und wieder aufwacht, sich irgendwelchen Unfug zusammenreimt und wieder wegnickt. Und wieder aufwacht und wieder weiß, wie sie heißt, und dass das, was sie vorher gedacht hat, Unfug war. Das ist großartig gemacht, wie aus vollkommen wirren Gedanken langsam etwas Strukturierteres wird.
Wir begleiten Helene dann bei der Genesung: nach und nach, mit viel therapeutischer Hilfe, kann sie sich immer besser bewegen, aber es geht langsam. Auch die Sprache hat sie verloren, ihr fallen Wörter nicht ein, teilweise hat sie sie im Kopf, aber wenn sie den Mund aufmacht, kommen sie nicht heraus. Auch das wird langsam besser. Und die Erinnerungen kommen auch wieder. An ihren Mann. Die fünf Kinder. Und daran, dass die Ehe am Ende war. Und dass sie sich trennen wollte. Und warum.
Und in diesem Moment macht Kathrin Schmidt ein zweites Fass auf, das so groß ist, dass es, wie ich finde, nicht den gebührenden Raum bekommt. So ein großes Thema wird hier ein bisschen zur Nebensache. Oder nicht zur Nebensache, aber eben auch nicht zur Hauptsache. Vielleicht ist das aber auch nicht schlimm, ich weiß es nicht.
Irgendwie werde ich nicht warm mit diesem Buch. Ich finde es stellenweise etwas zäh, aber das passt eigentlich, denn so eine Genesung ist zäh und mühsam. Es ist toll geschrieben, sie hat einen ganz eigenen Stil, den ich aber eher anerkenne, als dass er mich erreichen würde. Und ich frage mich dauernd zweierlei, nämlich erstens, warum Helene nicht viel mehr hadert, warum sie nicht verzweifelt und heult und wütend ist und traurig und ihr Schicksal verflucht. Sie scheint das alles einfach so zu akzeptieren. Aber vielleicht gehört das ja zum Krankheitsbild. Und zweitens, warum sie ihren Mann so wenig fragt. Der Mann kommt sie jeden Tag besuchen, kümmert sich rührend. Selbst als ihr dann wieder eingefallen ist, warum sie ihn verlassen wollte, aber erst recht vorher, warum fragt sie ihn nicht?
Und dann weiß ich nicht: ist das der Grund, warum mich dieses Buch so sonderbar kalt lässt? Keine Ahnung, ich bin wirklich ein bisschen ratlos. Aber ich lese schon gefühlt seit Wochen daran, und habe jetzt beschlossen, es nicht zu Ende zu lesen. Obwohl das ein gutes Buch ist. Irgendwie. Oder ist es albern, die letzten achtzig Seiten nicht zu lesen? Vielleicht hätte ich dann eine richtige Meinung, statt dieses Herumgeeiers hier.

Im Regal stelle ich Kathrin Schmidt zwischen Arno Schmidt, Harald Schmidt, Jochen Schmidt und, äh, Eric Emanuel Schmitt (geschenkt bekommen, ich schwör).

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Häme

Das halbe Internet ist voll von Häme über den Selbstmord eines Herrn, den ich erstmal googeln musste: ein Abmahnanwalt, der auf Internetabmahnungen spezialisiert war (das ist jetzt bestimmt irgendwie falsch ausgedrückt). Es ist sicher kein Gutmenschenjob, Leuten Geld dafür abzuknöpfen, dass sie beispielsweise unwissend einen Formfehler begangen haben. "Schwein" las ich irgendwo, jenun, die meisten Schweine sind in Wahrheit arme Schweine. Wer sich so einen Job aussucht, ist vermutlich in jeder Hinsicht (außer finanziell) ein armes Schwein. Und offenbar war er noch ein viel ärmeres Schwein, als man dachte, denn man nimmt sich ja nicht einfach so das Leben. Und jetzt komm mir keiner mit "selber schuld, wenn er sich in die Scheiße reitet", das ist billig. Das ist genauso billig wie "selber schuld, wenn Du dick / Alkoholiker / hässlich / doof bist". Wer sich das Leben nimmt, ist ein armes Schwein, das ist mal eine Tatsache, und jetzt ist er außerdem tot.
"Nänänä, das hat er jetzt davon", ist doch wirklich Kindergarten. Vollkommen egal, ob das arme Schwein ein Schwein war: Haltet verdammt noch mal einfach die Klappe.
Häme macht übrigens hässlich. Ihr seid dann selber schuld.

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Last modified: 09.12.13, 22:30
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Kommentare
Anderthalbfache Unterstützung!
Christl Klein, vor 11 Jahren
Hm, Tempers Kommentar ist ja
schon von 2008 - ich schätze eher nicht, dass...
isabo, vor 12 Jahren
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 12 Jahren
das ist ein hobby
von mir. antizyklisches kommentieren ;)
fabe, vor 12 Jahren
Das hier ist ja
schon eine Weile her. Hihi.
isabo, vor 12 Jahren
hier war ja neulich
stromausfall. menschen sind merkwürdig.
fabe, vor 12 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 12 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
Oh, vielen Dank!
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 13 Jahren
Der Verein lebe hoch, anderthalb
mal hoch Bin dabei.
Jolen, vor 13 Jahren
Da spricht mir wer aus
der Seele. Ich gebe mir auch schon seit Jahren...
Cuguron, vor 13 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Meiner hat mir nur von
dem Smiley auf seiner Krone erzählt. Und ob ich...
strandfynd, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
das hier geht woanders
nicht besser, aber versuch macht kluch...
don papp, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Sie wissen aber schon,
dass das hier schöner ausschaut?
leavesleft, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
Jo. Dann.
isabo, vor 14 Jahren
Möchten Sie es wissen?
kinomu, vor 14 Jahren
alles gute und auf nach
drüben!
skizzenblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren

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