Helgoland
isabo,
22:45
Irgendwo ins grüne Meer Es war schon wieder alles perfekt. Auf der Hinfahrt wechselhaftes Wetter, es schaukelte auch ein wenig, grau, Regen, blau, Sonne, grau, Regen, aber da hinten war es schon viel heller. Und auf der Insel war das Wetter dann okay, und wir wurden so freundlich empfangen, und die ganze Insel ist ja so klein, dass man, wenn man erst einmal dort war und zum zweiten Mal hinkommt, schon meint, man käme nach Hause. Wir sind aufs Oberland gegangen, einmal zwischen den Häusern durch, raus auf das Hochplateau, zur langen Anna und dem Lummenfelsen. Es hat ordentlich geweht, und es waren keine Vögel dort, keine Trottellummen und keine Basstölpel, ich dachte, sie sind dort immer, aber das stimmt nicht, sie leben draußen auf dem Meer und kommen nur zum Brüten und zur Aufzucht der Jungen an den Felsen. Ornithologen hingegen waren reichlich da, mit großen Stativen und langen Fernrohren, stundenlang sitzen sie still, bis ihr Walkie Talkie knackt und jemand durchsagt, wo der Blauschwanzirgendwas gerade ist. Der Blauschwanzirgendwas lebt normalerweise in Sibirien und ist irgendwie mit Stürmen und dem falschen Wind abgetrieben und auf Helgoland gelandet, ein einzelnes Tier. Seinetwegen sind alle hier, um ihn einmal zu sehen. Ich nehme an, er lacht sich kaputt, wenn er sie alle mit ihren Stativen ankommen sieht, und fliegt munter auf die andere Inselseite. Jedenfalls möchte ich das annehmen. In Wahrheit wird er irgendwann an Heimweh und Einsamkeit sterben, zurückfinden wird er nicht. Am nächsten Morgen schien die Sonne, es war strahlend blauer Himmel, Dünenwetter. Es war ordentlich Seegang, das Bötchen zur Düne schaukelte ziemlich, Gischt stob uns an. Meer, Sonne, Wind, Wellen, es braucht so wenig. Wir gingen einmal rund um die Düne, sahen Kegelrobben und Seehunde, aßen Hummersuppe im Dünenrestaurant, schauten in die Sonne und aufs Meer, und das Leben war gut. Auf dem Friedhof der Namenlosen liegen die begraben, die tot auf Helgoland angespült wurden, Menschen, die niemand kennt, von denen niemand weiß, woher sie kommen, und von denen zu Hause niemand weiß, wohin es sie getrieben hat. Ihr Namenlosen im weißen Sand, Ihr hattet Euch dem Meer vertraut, Und floss auch keine Träne hier, Doch ruht ihr. Vielleicht wär herberes Los Bei so einem Wind tränen mir immer die Augen. Am Abend gab der Mann im Aquariumscafé ein kleines Konzert, hauptsächlich Lieder, die von der Seefahrt handeln, vom Walfang, vom Meer, von der Sehnsucht nach der Liebsten auf der anderen Seite des Meeres, vom Heimweh und vom Old Figurehead Carver. While my hands are steady Die Leute haben zugehört und sich gefreut, wir hatten nette Gesellschaft und gute Getränke („Helgoländer“: Grüner und durchsichtiger Schnaps, rote Grenadine, möglicherweise eines der widerlichsten Getränke aller Zeiten), und einer hatte Geburtstag und das Leben war gut. Am nächsten Tag herrschte Windstärke acht, kurz ging das Gerücht, der Katamaran fahre nicht, wir hofften schon, wir müssten einen Tag länger bleiben. War aber leider Fehlalarm. Wir drehten eine Abschiedsrunde, kauften Schokolade und Bücher von James Krüss und besuchten kurz die Untergroßmutter. Die jetzige Untergroßmutter. Jedenfalls ist sie Großmutter und wohnt auf dem Unterland, ich weiß nicht, ob sie Untergroßmutter genannt werden möchte, die Schwester von James Krüss. ... Link (6 Kommentare)
Von der christlichen Seefahrt
isabo,
00:57
Der Katamaran fliegt über die See, Der Halunder Jet legt von den Landungsbrücken ab und prescht in beeindruckendem Tempo los. Laut Wetterbericht soll es Sturm geben, Henrike jault schon mal vorauseilend, sie würde bestimmt seekrank. Tatsächlich ist aber kaum Wind, bei der Abfahrt nieselt es ein wenig, hört aber gleich wieder auf. Und noch vier volle Stunden bis Helgoland. Ich freue mich, nach dem Ärger der Tage davor kann ich das Meer gebrauchen, ich stehe am Heck des Schiffs draußen und lasse mich durchpusten. Die See ist ruhig, nach und nach reißt der Himmel auf, die Sonne kommt raus, und ich lasse meinen Kummer an Land. Wie das Meer das wohl macht. Wenn ich schlecht drauf bin, wenn ich Kummer habe oder Herzschmerz, dann bringt mich ans Meer, und wenn keins da ist, an irgendein anderes Wasser, es funktioniert immer. Isabo war unser Steuermann, Henrike fragt, was denn mit dem angekündigten Sturm sei, ob der noch komme, ja, sagt der Kapitän, aber erst heute Nachmittag. Und morgen regnet es auch. Aber ach, was verstehen Kapitäne schon von Seewetter? Nachmittags auf der Insel ist kein Wind, schon gar kein Sturm, es ist zwischendurch wohl grau und neblig, aber der Nichtwind pustet das schnell weg, und am nächsten Morgen ist alles blau. Blauer Himmel, blaues Meer, weißer Sand, grünes Land, rote Klippen. Abends beim Einschlafen fällt mir ein, dass ich meinen Sekt gar nicht bezahlt habe. Am nächsten Tag kommt eine Mail von C, ob ich meinen Sekt bezahlt hätte und ihren womöglich auch, sie habe ja wohl die Zeche geprellt. Prost, Madame, da haben wir zusammen geprellt. Und schon wieder ein Grund, die Reise demnächst noch mal zu machen: um uns hochoffiziell zu entschuldigen. Zeche prellen ist nämlich unchristlich. ... Link (2 Kommentare)
isabo,
23:17
Mist, ich fürchte, ich habe mich Hals über Kopf verliebt. Das wollte ich nicht, immerhin war die Sache ethisch bedenklich. Aber ein bisschen Sonne und Meer machen mich immer gleich willenlos, da kann ich gar nichts gegen tun. Was mache ich denn jetzt? ... Link (11 Kommentare)
Helgoland
isabo,
09:55
Der Hotelier sagte, das sei kein Wind. Das Hotel Rickmers Insulaner bietet seit Dezember im Rahmen des Helgoländer Hochseewinters ein Reisepaket Storm Watching an, allerdings gab es seither noch keinen Sturm. Was uns fast von den Klippen gepustet hat, was uns vorangeschoben und uns den Weg versperrt und die Kamera aus der Hand geschlagen und den Atem geraubt hat, war kein Wind. Man meint ja auch immer, die Sonne wäre gar keine Sonne, wenn dazu ein frischer Wind weht. Es war strahlend blauer Himmel, ich bin ganz verbrannt im Gesicht, von der Sonne, die doch eine Sonne war, obwohl der Wind wehte, der kein Wind war. Ich habe immer noch ein bisschen Ohrensausen vom Wind, der nicht wehte, und der Boden schwankt immer noch unter meinen Füßen, weil das Schiff so schwankte, vom Wind. ... Link (3 Kommentare) |
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Kommentare
Zettel's Ingo Maurer Hallo,
ich habe Ihren Beitrag zur Zettel's-Lampe gefunden. Da ich sie gerne...
Christiane Thomaßen, vor 13 Jahren
endlich endlich setzt jemand ein
Zeichen gegen das ständige Aussterben schöner Wörter! Da bin ich...
federfee, vor 13 Jahren
Lassen Sie doch vielleicht mal
Ihr Assoziationsmodul überprüfen, das spielt ja geradezu verrückt. Das...
isabo, vor 13 Jahren
grosses Lob Liebe Isabo,
bin ueber Meike auf Dich gestossen und finde Deine Texte ganz...
LvO, vor 14 Jahren
Ha, wir haben auch nur
Fangen (hieß einfach "fanga") ohne so ein Hintertürchen gespielt....
Irene, vor 14 Jahren
Bin gerade erst über das
Interview gestolpert - für mich als Auch-Japanisch-Übersetzerin doppelt und...
frenja, vor 14 Jahren
Beide haben Fahnenmasten, der linke
und der rechte Nachbar. Und beide haben die Deutschlandfahnen...
croco, vor 14 Jahren
Ja. Ich habe aber erstens
Schimpfe bekommen für dieses wunderschöne, kühle, coole, elegante, heißgeliebte...
isabo, vor 14 Jahren
Gute Entscheidung. Trennung in beruflich
und privat ist unpraktisch (für alle Beteiligten) und wenig...
textundblog, vor 14 Jahren
ja ja ja!!! ES geht
es geht es geht!!! (aber halt ohne Editieren, wurscht!)...
g a g a, vor 14 Jahren
Ich GLAUBE, ich habe
das Captcha- Dings jetzt weggemacht. Kannst Du es nochmal veruschen?
isabo, vor 14 Jahren
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